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Ich soll nicht töten

Ich soll nicht töten

Titel: Ich soll nicht töten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Lyga
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die Luft, wollte irgendwo hinhauen, wollte irgendwen schlagen, wollte und musste Schmerz zufügen, Schmerz fühlen. Doch nur Connie stand vor ihm, und während ein Teil von ihm– ein großer Teil, wie er merkte– genau wusste, was er ihr antun würde und wie man es machte, rang ein anderer Teil– der klein, aber stark war– mit ihm und mit der Stimme seines Vaters, die in ihm hauste.
    Mit einem Aufschrei aus Wut und Frust stürmte er an ihr vorbei aus der Hütte und rannte zum Rand der Lichtung, wo er in einem Haufen Laub und Gras auf die Knie sank, und in seinem Kopf wirbelten Bilder durcheinander, in denen sich Connie mit den Opfern des Impressionisten vermischte– Connie auf dem Feld, Connie in der Dusche der Hellers, Connie auf Ginnys ehedem weißen Teppich, wo ihr Blut und ihr Leben aus ihr entwichen, während Jazz seine Lippen auf ihre drückte, nur dass er diesmal den Atem aus ihr saugte, ihre Seele selbst einsog.
    Bin ich das? Ist es das, wozu ich bestimmt bin? Oder ist es, wie Connie sagt? Ist alles nur Theater? Und wie stelle ich es fest? Wie finde ich heraus, was es ist?
    Er kniete auf der kalten Erde, und die Bilder knüppelten auf seinen Verstand ein, bis er hörte, wie die Tür der Hütte aufging und ihre Schritte in dem trockenen Laub raschelten.
    Er wartete darauf, dass sie hinter ihn trat und ihn an der Schulter berührte. Auf den leicht süßlichen Geruch des chemischen Mittels, mit dem sie ihr Haar entwirrte.
    Und wartete.
    Bis er hörte, wie Howies Wagen angelassen wurde.
    Ja. Er ließ den Kopf hängen. Es war genau das, was er verdient hatte.
    Er verharrte lange in dieser Stellung. Er überlegte, dass er vielleicht für immer hier bleiben könnte.
    Wenn nicht das Bild von Irene Heller plötzlich vor ihm aufgetaucht wäre.
    Das Bild ihrer Augenlider, die der Impressionist geschlossen hatte, als befürchtete er, sie könnte Shampoo in die Augen bekommen.
    Aber er wusste, was unter diesen Lidern war. Er kannte das ausdruckslose Starren der Toten.
    Er hatte es bei den Opfern seines Vaters gesehen. Bei Fiona Goodling.
    Bei Ginny Davis.
    Es war etwas, das er nie vergessen konnte.
    Niemand würde Irene Heller heute Nacht im Arm halten.
    Niemand würde Irene halten, und irgendwo war jemand, der es vermisste, sie zu halten.
    Connie hatte recht. Hier ging es nicht um ihn und seine Probleme, um seine Vergangenheit. Es ging um Irene und Fiona, um Carla und die arme Ginny. Er musste alles in seiner Macht Stehende tun, um sie zu rächen.
    Und es gab noch etwas, das er tun konnte.
    Er stand auf und blickte zum Nachthimmel empor. Holte tief Luft und stieß sie dann als längliche, träge Wolke wieder aus.
    Und dann sprach er es laut aus, zur Nacht, zu sich selbst, damit es reell wurde.
    » Ich muss meinen Vater besuchen.«

29
    Connie rief weder in dieser Nacht noch am nächsten Morgen an. Nicht dass Jazz ernsthaft damit gerechnet hätte. Er hätte sie verzweifelt gern angerufen, aber jedes Mal, wenn seine Hand zum Telefon ging, zog er sie wieder zurück. Was würde er zu ihr sagen?
    Gramma war außer Rand und Band, da sich Reporter am Ende der Zufahrt sammelten, exakt an der Grenze, wo die öffentliche Straße an ihr Grundstück stieß. Sie nahm sie nicht als Presse wahr, sondern war überzeugt, es handle sich um eine Armee feindlicher Krieger, die hier waren, um das Haus zu plündern und niederzubrennen und sie anschließend zu vergewaltigen und zu zwingen, eine neue Generation Krieger zu gebären. Die Anwesenheit mehrerer schwarzer und lateinamerikanischer Medienvertreter trug nicht dazu bei, ihre Ängste zu mindern.
    Für Melissa Hoover und ihren Bericht wäre es ein gefundenes Fressen gewesen, hätte sie Gramma so sehen können.
    » Du wärst mit Plünderern wahrscheinlich besser dran als mit der Presse«, murmelte Jazz, als er den Vorhang ein Stück zurückzog und die Meute beobachtete. Er verabscheute die Presse, weil sie sein Leben in ein Spektakel verwandelt hatte. » Dann wäre es wenigstens schnell vorbei.«
    » Sie kommen! Sie kommen!« Gramma kroch auf dem Bauch durch die Küche, eine lange spitze Fleischgabel in der Hand und ein tödliches Leuchten in den Augen. Wenn sie ihn in diesem Moment nicht so sehr an seinen Vater erinnert hätte, hätte Jazz vielleicht gelacht.
    » Ich glaube, sie halten sich fürs Erste zurück«, meldete er.
    Wie nicht anders zu erwarten, führte Doug Weathers die Meute an. Er war als Erster eingetroffen und hatte sogar das Fernsehteam aus Tynan Ridge um eine gute

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