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Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)

Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)

Titel: Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eveline Hall , Hiltud Bontrup , Kirsten Gleinig
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schlechter Arzt, der kein Geld verdient. Kein einziges großes Gerät stand dort herum. Aber sein Wartezimmer war voller Patienten. Er schaute mich an und wusste, was mir fehlte. Und er wusste, dass ich als Bluebell nicht ausfallen durfte. Kaum eine von uns war jemals wirklich krank. Wer sich erkältet hatte, inhalierte eben.
    Das ist mir bis heute wichtig: Was immer ich selbst kurieren kann, möchte ich können. Schon zu trainieren hilft mir, wenn ich mich nicht gut fühle. Dann ziehe ich mich extra warm an, schwitze alles aus und hinterher trinke ich literweise Tee. Heute werden Hausmittel empfohlen, die ich schon seit Jahrzehnten anwende. Ich erinnere mich an jedes einzelne Aspirin meines Lebens, denn die nehme ich nur bei extrem hohem Fieber und erst, wenn Wadenwickel nicht mehr helfen. In einem Buch über Rudolf Nurejew, einen der besten Tänzer der Welt, habe ich gelesen, dass sie in Russland Umschläge mit Schweinefett machten und dann trainierten. Und Tee, Tee, Tee getrunken haben, bis es vorbeiging. Ich bin überzeugt, dass man am schnellsten gesund wird, wenn man eigene Kräfte mobilisiert. Du bist viel resistenter, wenn du nicht immer gleich etwas einnimmst.
    Es ist bei allen Malaisen dasselbe: Wenn ich Angst habe, bald nicht mehr laufen zu können, muss ich meinen Hintern in Bewegung setzen, solange es noch geht. Deshalb trainiere ich jeden Tag und stemme meine Hanteln, um Taille, Brust und Rücken zu trainieren. Im Liegen und im Stehen, eine halbe Stunde lang. Auch das habe ich in Las Vegas gelernt. Ich traf eine Tänzerin, die schon siebenunddreißig Jahre alt war und einen tollen Busen hatte. Ich himmelte sie an, bis sie eines Tages sagte: »Meine Figur verdanke ich dem Training. Wenn du willst, zeige ich es dir.« Bei ihr zu Hause lernte ich ihren Mann kennen, einen Bodybuilder. Die beiden besaßen eine ganze Batterie an Trainingsgewichten, und meine Kollegin zeigte mir, wie sie Langhanteln stemmte und dabei atmete. »Jetzt du«, sagte sie dann. Ich gab mir alle Mühe, wie immer, wenn sich jemand Zeit nahm, um mir etwas beizubringen. Ausatmen – rauf, einatmen – runter. Doch ich fand nicht richtig hinein. »Du kommst doch vom Ballett«, sagte sie, »vielleicht solltest du die Übungen auf deinen exercises aufbauen.« Ich ging mit den Hanteln ins Plié, drehte mich im Rhythmus meines Atems, hob die Arme wie beim Tanz. Das wars! »Du musst das Training noch weiter auf dich abstimmen«, sagte meine Kollegin. Ich sollte herausfinden, wie weit ich gehen konnte, was mein Körper aushielt, und ihn an diese Grenze bringen. Das Wichtigste aber: »Überleg dir gut, ob du das wirklich willst. Denn wenn du einmal damit anfängst, darfst du nie wieder aufhören. Sonst fällt alles in sich zusammen.« Ich wollte! Und ich hielt mich an ihren Rat. Dank meiner Bücher wusste ich so viel über Muskeln, Knochen und Gelenke, ich kannte meinen Körper so gut, dass ich mein Training bis ins Kleinste ausfeilte. Wäre ich nicht Schauspielerin geworden, dann sicher Orthopädin. Das ist ein Beruf, der mich wirklich fasziniert.
    Doch damals in Las Vegas konnte selbst die Medizin meinen Wissensdurst nicht stillen. Als Nächstes lernte ich Stenografie, in rasender Geschwindigkeit. Ich kaufte mir eine kleine Maschine, mit der ich blitzschnell tippte, und schickte lange Briefe an Mami. So oft, dass sie kaum antworten konnte, bevor der nächste schon kam. Und dann begann ich zu studieren. Eine Kollegin versuchte, mich mit einem Professor zu verkuppeln: »Der kommt aus Deutschland«, sagte sie, »und er steht sogar im Who is Who .« Ich ging also mit Rudolf Köster aus, dem gelehrten Herrn von der Universität in Las Vegas. Er verliebte sich tatsächlich in mich, doch ich mich nicht in ihn. Ich interessierte mich mehr für seine Arbeit. »Weißt du was, Rudi«, sagte ich bei unserem dritten Date. »Ich würde gern studieren. Ich hab eine Menge nachzuholen.« Erstaunt sah er mich an: »Was für ein Fach denn?« – »Ja, hmm, ich hab viel gelesen, und mein Vater ist Schauspieler …« – »Dann deutsche Literatur!« So fanden wir ruck, zuck mein Hauptfach, dazu wählte ich Englisch und Anatomie. Nur eine große Hürde galt es noch zu nehmen: Ich hatte ja kein Abitur. »Dann musst du eine Prüfung absolvieren«, sagte Rudi.
    Zwei Tage im Oktober ließ ich mich quälen, mündlich und schriftlich. Mein Steckenpferd war Bertolt Brecht, die Prüfer sahen, dass ich ein gutes Fundament besaß, und glaubten an mein Potenzial. Am Ende war

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