Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)
nicht lange, da merkte ich, dass er weder blöd war noch quatschte. Von nun an trafen wir uns jeden Tag. Wir flirteten und begannen bald, uns im Wasser zu küssen und zu berühren.
Mister David Hall war der schönste Mensch, der mir je begegnet ist. Er war ein Cherokee und sah sehr indianisch aus mit seinem blauschwarzen, dichten Haar und dem dunklen Teint. In seiner Haltung, in seinen Bewegungen lag so viel Anmut, dass ich ihn stundenlang anschauen wollte. Ich verliebte mich unsterblich, doch er ließ mich hängen bis zum Gehtnichtmehr. Im Pool machte er mich täglich heiß und ich war völlig wild auf ihn, doch mehr passierte nicht. Mindestens zwei Monate lang. Wann geht der Kerl endlich mit mir aus, fragte ich mich genervt. Aber David war kein Draufgänger. So wie er aussah, hatte er das nicht nötig. Ich war so verknallt, dass ich nicht mehr denken konnte, essen schon gar nicht. Ich war fast krank– und nahm nun endlich ab.
David hatte ein Jurastudium abgebrochen und arbeitete hinterm Tresen einer Bar. Er war acht Jahre älter als ich, also fünfunddreißig, und lebte im Apartment unter uns. Eines Tages klingelte endlich mein Telefon: »Here’s your downstairs buddy«, sagte er, hier ist der Typ von unten. Mir schlug das Herz bis zum Hals. Wir gingen aus! Zwischen den Vorstellungen und nach der Show rannte ich dauernd in die Dusche, machte mich frisch und zupfte an mir herum. Der Abend wurde wunderschön – und dann ließ er mich wieder warten. So ging es wochenlang, doch allmählich begann ich, sein Wesen zu begreifen. David ließ die Dinge einfach entstehen, auch da war er sehr indianisch. Er konnte gut allein sein, er liebte es sogar. Und er liebte es zu lesen, er las alles, was ihm in die Hände fiel. Wenn er eine Zeitung kaufte, so dick wie alle deutschen Tageszeitungen zusammen, dann hatte er sie am Abend durch. Romane ließen ihn völlig kalt, dafür verschlang er philosophische Bücher. Ich war beeindruckt, was er alles wusste. Ich konnte ihn fragen, was immer ich wollte – er kannte sich aus.
Mit David lernte ich endlich das Land kennen, in dem ich schon bald drei Jahre lebte. Wir fuhren mit seinem Chevrolet in die entlegensten Regionen, durch Gebirge, in denen uns kein Mensch begegnete. David kannte jeden Stein. Zwar stammte er aus dem Süden der USA , aus Alabama, doch mit seinem Motorrad war er schon überall gewesen. Also plante er unsere Routen, und ich sammelte meine freien Tage, bis wir eine Woche Zeit hatten für eine große Tour. Wir fuhren durch die Gegend um Las Vegas, hinaus bis zum Grand Canyon und durch Kalifornien. In Carmel mieteten wir direkt am Strand ein romantisches Häuschen, das nur aus einem Zimmer bestand. Wir hatten Kassetten mit toller Musik dabei und spielten immer wieder Elton Johns Your Song . Dann nahm David meine Hand und sagte »Isn’t it wonderful? This is my country.« Er war so sentimental, dass er beim Anblick eines Berges weinte. Auch das war indianisch: diese Kontemplation in der Natur, diese Verbundenheit mit der Erde.
Mein David war kein Mann, der mehr aus sich machte, als er tatsächlich war. Er log niemals und ruhte vollkommen in sich. Doch eine dunkle Seite hatte er auch. Er zog mich in eine Welt hinein, die uns beinahe das Leben kostete. Anfangs ahnte ich davon nichts. Er war so zuverlässig, holte mich jeden Abend nach der Vorstellung ab und ging mit mir aus. Alle mochten ihn gern. Als meine Eltern mich besuchten, hatten sie nur zwei Tage Zeit, und David tat alles, damit sie möglichst viel erlebten. Sie sollten den Grand Canyon sehen, doch in der kurzen Zeit ging das nur mit dem Flugzeug. »Und wenn wir keins bekommen«, sagte er, »dann fahre ich die Strecke selbst.« Ich kenne keinen Menschen, der so entschlossen und bestimmt ist, auch in der Liebe. Er hätte seinen rechten Arm für mich gegeben. Das mochte ich wahnsinnig gern an ihm. Auch meine Eltern liebten ihn auf Anhieb und mein Bruder rief: »Was ist das für ein Kerl, fantastic!« Man brauchte nur seinen Körper zu sehen, um zu erkennen: Das ist ein Mensch, den Gott in diese Welt gesetzt hat. Seine Gesten, sein Gesicht, aus allem sprach eine indianische Würde, die schon in seinen Genen stecken musste. Er hätte überall Hof halten können.
Meine Zeit am Lido ging zu Ende, die Show wurde abgesetzt. Ich hatte keine Pläne für die Zukunft und zog erst einmal mit David zusammen. Auf meinem Konto lag Erspartes und ich bekam Arbeitslosenunterstützung – dank meiner Sozialversicherung.
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