Ich Stell Mein Herz Auf Sommerzeit
noch genau, daß sein Bruder an seinem zwölften Geburtstag eine Uhr bekam, und es selbst bis zu seinem dreizehnten darauf warten mußte. Es erinnert sich noch genau, daß es an der Wand schlafen mußte statt auf der dem Klo nächstgelegenen Seite. Es erinnert sich noch genau, daß die Mutter es einmal am Strand ins Wasser geschickt hat, um es endlich einmal naß werden zu lassen, und daß dann eine große Welle kam und es umwarf, so daß es fast ertrunken wäre.
Es gibt keinen Beruf der Welt, in dem Fehler in der Öffentlichkeit derartig an den Pranger gestellt werden.
Alle Eltern haben ihre Schwächen und Fehler, also müssen sie zusammenhalten. Wir dürfen das ›Gib Mami ein Küßchen, und es ist wieder gut‹ nicht einreißen lassen. Solange ein Bestseller mit Enthüllungen auf dem Markt ist und auch noch im Kino rasanten Erfolg hat, ist keine von uns sicher.
Ich bin schlechter dran als die meisten anderen Mütter, ich habe sechs Bücher über Pannen bei der Kindererziehung geschrieben.
Und doch – wenn man es recht bedenkt – Bo Derek in meiner Rolle wäre fabelhaft.
Gegendarstellung
Jedes Jahr bekomme ich die Zuschriften von irgendwelchen Kindern, die keine Lust mehr haben, meine Kolumne mit der Bemerkung hingestoßen zu kriegen: »Da! Lies das mal – das bist du.«
Diese Kinder fragen an, warum ich denn immer den Standpunkt der Eltern vertrete und nie den des Kindes.
Heute bekam ich einen Brief aus Long Beach, Kalifornien. Ein Mädchen schrieb: »Sie schreiben jetzt schon so lange über Kinder, die alles tun, um ihre Eltern auf die Palme zu treiben. Wie wär's denn mal mit ein paar kurzen Worten über Eltern und Kinder, die zufälligerweise was richtig gemacht haben? Gezeichnet: T.H.«
Du hast ganz recht, T.H. Du mußt wirklich glauben, uns könnte man nichts recht machen. Es wird Zeit für den alljährlichen Beitrag zum Lobe des Kindes.
Eltern haben ihre Sache gut gemacht, wenn sie ihr Kind um ein Glas Wasser aus der Küche bitten –, und das Kind weiß, wo die Küche ist.
Sie haben es geschafft, wenn sie zum Geburtstag ein Geschenk kriegen, und das Kind es von seinem eigenen Geld gekauft hat. Sie haben einen Pluspunkt verdient, wenn das Kind aus eigenem Antrieb berichtet, daß es die geborgte Kamera hat fallen lassen, die Frage der Eltern: »Hast du überhaupt eine Ahnung, was so eine Kamera kostet und wer das bezahlen soll?« beantworten kann und sich zur Zahlung verpflichtet. Sie haben das Große Los gezogen, wenn auf ihre Feststellung, des Sohnes Hose sei durchgescheuert, sein Hemd ungebügelt, und er trage den Pullover verkehrt herum und sehe überhaupt ziemlich verkommen aus, der Sohn ihnen beipflichtet.
Es ist ein Freudentag für alle Eltern, wenn ihre Kinder auch vor Fremden mit ihnen sprechen,
den Wagen nach Benutzung wieder auftanken
fragen, ob man gerade eine bestimmte Sendung sieht, ehe sie per Fernbedienung umschalten,
das Geschirr spülen, wenn sie an der Reihe sind,
für irgend etwas ›danke‹ sagen.
Es ist schön für Eltern, wenn ihre Kinder …
ihnen die Wahrheit sagen, auch wenn ihnen Fürchterliches droht,
sich melden, wenn man sie ruft, ohne zu fragen: »Was willst du denn?«
im Winter die Türen schließen, weil dann der Vater dankbar lächelt,
auf Erkältungen der Mutter Rücksicht nehmen, als seien es ihre eigenen.
Artige, wohlerzogene Kinder hält man für selbstverständlich wie den Lauf der Sonne. Sie erheben sich jeden Morgen. Sie verschwinden jeden Abend freiwillig im Bett. Und die wenigsten Eltern können sich vorstellen, wie sehr sie sich anstrengen, es uns recht zu machen – und wie obermies ihnen ist, wenn sie glauben, versagt zu haben.
Schauen Sie sich Ihre Kinder genau an. Im Ernst, ich meine genau. Finden Sie nicht, daß sie viel besser erzogen sind, als Sie dachten?
So, und nun gehen Sie hin und sagen Sie es ihnen.
Muskelspiele
Eine Frau in Illinois, deren Sohn Gewichtheber ist, hat festgestellt, daß seine Fingermuskeln immer schwächer werden, je stärker sich seine Oberarmmuskeln entwickeln. Mit anderen Worten: Der Bursche kann zwar sein Eigengewicht stemmen, aber keinen Wasserhahn mehr zudrehen.
Die Erklärung ist sehr einfach: Bei Teenagern entwickelt sich jeweils nur ein Teil des Körpers. Haben sie gute Noten in der Schule, kann man nicht erwarten, daß sie ihr Zimmer aufräumen. Will man, daß sie acht Stunden Nachtruhe halten, können sie unmöglich den Müll raustragen. Will man von ihnen immer nur die Wahrheit hören, darf
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