Ich Stell Mein Herz Auf Sommerzeit
T'schuldigung!« (na, immerhin!), wandten sich die Umstehenden, anstatt mich zu unterstützen, gegen mich.
»Was ist das bloß für eine Mutter, die sich ruhig mit anhört, wenn ihr Kind so brüllt?«
»Liebe braucht er, der kleine Kerl, das ist alles.«
»Ich würde sagen, bei dem zu Hause fehlt die Nestwärme, die Zuwendung!«
»Ich hab die Frau schon vorhin beobachtet, sie hat sein Ärmchen so fest gehalten, daß ich schon glaubte, sie reißt's ihm aus.«
»Hätte sie ihm den lausigen Kaugummi nicht gönnen können?«
»Sie verdient den Klaps hinten drauf und nicht er, weil sie nicht besser auf ihn aufgepaßt hat.«
Ich erhob mich von den Knien und wollte meinen Sohn bei der Hand nehmen. Da kam die Krönung seines Auftritts: Er wich vor mir zurück. Die Zuschauer waren hingerissen. Eine Frau meinte: »Ich frage mich, warum solche Leute Kinder kriegen!«
Ich wußte es. Und wollte es nie wieder tun.
Ordnung muß sein
Auf die Gefahr hin, daß es Sie nachts nicht schlafen läßt: Ich muß es Ihnen sagen, es ist wichtig.
Seit sechzehn Jahren führe ich bei allen Eltern eine Art inoffizieller Umfrage durch. Ich bitte Sie um Antwort auf eine ganz simple Frage. »Nehmen Ihre Kinder jemals – mit Ausnahme der Gabel – etwas selber in die Hand?«
Einige Eltern wurden daraufhin ausfallend. Zwei mußten zu Beruhigungsmitteln greifen. Etwa ein Dutzend wiesen nachdrücklich darauf hin, daß sie den Krieg mitgemacht hätten. Und jetzt kommt das Erschütternde: von allen Befragten hatte keiner – ich wiederhole, kein einziger – ein Kind, für das Ordnung ein Begriff war.
Irgendwann zwischen dem Auskochen des Schnullers und dem Kauf schwarzer Handtücher sind sie uns entglitten. Ich weiß nicht, worin wir versagt haben, aber wir haben eine Generation auf die Welt losgelassen, die tut, als sei das sich selbst reinigende Badezimmer bereits erfunden.
Die meisten Eltern fürchten den Vorwurf, sie hätten ihren Kindern die Grundbegriffe von Sauberkeit und Ordnung nicht beigebracht und wären somit als Eltern inkompetent. Natürlich stimmt das nicht. Meine Kinder zum Beispiel stammen aus gutem Hause. Ich benutze beim Geschirrspülen immer ein Spülmittel. Ich trage ein Hemd nicht noch einen vierten Tag, indem ich es verkehrt herum anziehe. Ich bewahre unter dem Gaspedal keine ineinandergesetzten Pappbecher auf. Ich schlafe nie auf Kissen ohne Bezug. Ich trinke niemals Milch direkt aus der Packung. Und beim Anblick des Kleiderschrankes meines Sohnes bin ich in Ohnmacht gefallen.
Ein paar Naivlinge vertreten die Meinung, unsere Luftverschmutzung sei auf zu viele Autos und Industrieabgase zurückzuführen. Denken Sie mal nach! Wir Eltern haben die Luftverschmutzung schon in dem Jahr festgestellt, in dem unsere Nachkommen herausgefunden hatten, daß ihre Schlafzimmertüren abschließbar waren.
Ich hasse es, wenn die Leute meinen, Schlamperei sei etwas Ererbtes, Übernommenes, von einer Mutter etwa, die zu viel anderes zu tun hatte, um ihre Kinder zur Ordnung anzuhalten.
Als meine Älteste noch im Krabbelalter war, fragte ich sie jedesmal »Hast du dir auch Gesicht und Hände gewaschen?«, ehe ich sie an den Eßtisch ließ. Eine Antwort auf meine Frage bekam ich übrigens nie. Es erschien nur eine ellenlange Zunge und säuberte wie eine Straßenkehrmaschine einen Weg zwischen der Nase im Norden, im Osten und Westen von den Backen, im Süden von einem Kinn begrenzt.
Von da an ging's bergab. Und zwar täglich.
Nur ungern renne ich mit jedem auftauchenden Problem zur Regierung und beklage mich, aber vielleicht wäre eine Überwachungsstelle für Kindersauberkeit, die gewisse hygienische Grundbegriffe aufrechtzuerhalten hätte, doch keine schlechte Idee.
Nein, unser heutiges Problem sind nicht die grünen Männlein, die aus den UFOs klettern, um unseren Planeten zu besuchen. Das Problem ist, wie wir sie in all der Unordnung nach ihrer Landung überhaupt finden sollen.
9. Weihnachtseinkäufe
Es gibt Leute, die kommen einfach nicht in Weihnachtsstimmung. Sie erzählen einem, wie viele Sekunden ein Christbaum braucht, um abzubrennen, wie schädlich die Sache mit dem Weihnachtsmann für die Kinderpsyche ist und wie viele Leute letztes Jahr zum Fest von der Wohlfahrt gespeist worden sind. Deshalb war ich ganz überwältigt, als mein Mann gestern abend mit zahlreichen Päckchen beladen heimkam.
Er legte sie auf den Eßtisch, und ich sagte scherzhaft: »Na, hat der Geist des Festes jetzt auch dich erfaßt? Soll
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