Ich Stell Mein Herz Auf Sommerzeit
Sonderangeboten über sechs Einkaufskarren die Flanke machen. Sie erdrückten einen wie ein nasses Plumeau.
Die Supermutter und Superhausfrau ist das Produkt der Vereinsamung, eines Ehemannes, der selten daheim ist, sowie eine Folge des Dranges, immer alles sauber und gepflegt zu haben. Es gibt bereits eine Warteliste für Heiligsprechungen.
Die Zwischendurchmütter aber warten einfach ab, bis ihre Kinder erwachsen sind. Sie geben bei Elternversammlungen nie ihren wirklichen Namen an, verstecken die Bonbons unter dem Geschirrtuch, damit die Kinder sie nicht finden, und ihre Schubladen sind mit Zeitungen mit Schlagzeilen aus den Sezessionskriegen ausgelegt.
Für Supermütter bestand in unserem Vorort keinerlei Zuzugssperre. Sie durften sich unter uns mischen, wann immer sie wollten. Als eine im Haus gegenüber einzog, fand ich es angebracht, sie bei uns freundlich willkommen zu heißen.
Der Möbelwagen war noch keine Minute weg, da sah ich sie bereits im Garten harken. Ich ging hinüber, um ihr meinen berühmten Restesalat aus neun Bohnen zu bringen. Sie hieß Estelle. Das Innere des Hauses war umwerfend: Die Möbel glänzten und standen alle an ihrem Ort, Spiegel und Bilder hingen bereits, nirgends war eine Packkiste zu sehen, die Bücher waren eingeräumt, auf dem Küchentisch standen frische Blumen. Sie selbst hatte gerade eine Kalziumtablette in der Hand, um sie sich in den Mund zu stecken.
»Ich weiß, daß an Umzugstagen alles drunter und drüber geht«, stotterte ich verlegen.
»Fertig wird man ja nie, nicht wahr«, sagte sie und nahm mit zwei Fingern einen Fussel vom Eisschrank.
Dann ließ sie ihre Kinder antanzen, und als sie bemerkte, daß ihrem Sohn eine Locke ins Auge hing, verzog sie das Gesicht und meinte: »In dem Alter benehmen sie sich wie die Wilden.«
Wenn meine Kinder je so gut ausgesehen hätten, hätte ich sie meistbietend versteigert.
»Übrigens, wenn Sie irgendwas brauchen, ich fahre alle drei Stunden zum Einkaufen«, bot ich ihr an.
»Ich kaufe nur einmal im Monat ein«, sagte sie. »Ich habe festgestellt, daß man sparen kann, wenn man im voraus plant und größere Mengen nimmt. Außerdem geize ich mit meiner Zeit. Ich lese so viel – im Moment James Joyce – und gehe mit meinen Kindern drei-, viermal die Woche ins Museum. Sie interessieren sich so sehr für moderne Kunst und fangen jetzt mit den Romantikern an. Darf ich Ihnen etwas anbieten? Ich habe eben einen Napfkuchen gebacken.«
Mir brach der Schweiß aus.
»Der Doktor hat gemeint, ich solle etwas zunehmen, und ich gebe mir auch alle Mühe …«
Ich hätte ihr ins Gesicht schlagen können.
Das Problem war einfach das: Konnte eine Hausfrau, die jedes Stück Haushaltswäsche schwarz färbte, um langfristig Zeit zu sparen, mit einer Nachbarin auskommen, die jederzeit ein Babybild ihres letzten Kindes griffbereit hatte?
Wir Zwischendurchmütter versuchten, mit Estelle auszukommen. Leicht war es nicht. Estelle war einfach nicht zu schlagen.
Sie mähte den Rasen, backte selbst Brot, schaufelte den Schnee vom Gehsteig, zog ihre eigenen Küchenkräuter, nähte die Kleider ihrer Kinder, änderte die Anzüge ihres Mannes, spielte in der Kirche die Orgel, plante jeden Urlaub genau vor, zahlte alle Rechnungen, war freiwillige Mitarbeiterin bei drei Telefonseelsorgediensten, fünf Sportclubs und zwei karitativen Kommissionen, holte im Winter alle Gartengeräte ins Haus, stellte einmal die Woche ihr Bügelbrett auf und bügelte alles weg, füllte ihre Gefriertruhe mit halben Rindern, malte ihre eigenen Weihnachtskarten, ging bei jeder Wahl zur Urne und zweimal im Jahr zum Zahnarzt, stand ihrer Hündin beim Werfen bei, schmolz alte Kerzen und drehte neue, hob altes Frostschutzmittel auf und hatte einen Bleistift neben dem Telefon.
»Wo ist denn Estelle?« fragte Helen, als sie eines Tages zu einer kurzen Stippvisite hereinschaute.
»Keinen Schimmer. Wahrscheinlich malt sie ihre Krampfadern mit Buntstift nach, damit sie aussehen wie die neuen Modestrümpfe. Ich sage dir, diese Frau tötet mir den Nerv.«
»Ja, sie ist ein bißchen penetrant.«
»Ein bißchen nennst du das? Würdest du einer Frau trauen, die immer genau weiß, wo ihre Wagenschlüssel sind?«
»Ich glaube, sie würde gern Freundschaft mit dir schließen.«
»Daraus würde nichts.«
»Du könntest es doch probieren.«
»Du weißt nicht, was du verlangst. Sie ist so – so fürchterlich systematisch. Ihr Haus ist das einzige im ganzen Viertel, in dem für den
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