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Ich Stell Mein Herz Auf Sommerzeit

Titel: Ich Stell Mein Herz Auf Sommerzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erma Bombeck
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Brandfall Probealarme durchgeführt werden. Neulich hat die Schule bei ihr angerufen und ihr gesagt, daß Kevin sich verletzt hat. Weißt du noch, wie es war, als die Schule mich damals anrief, um mir mitzuteilen, mein Sohn hätte den Sehtest nicht bestanden?«
    »Ja, du wurdest hysterisch und mußtest Beruhigungsmittel nehmen.«
    »Richtig. Nicht so Estelle. Sie nahm ganz gelassen die Wagenschlüssel vom Haken, zog eine farblich passende Strickjacke über ihre farblich richtigen Hosen, stellte das Essen im Backofen warm, nahm den Bleistift am Telefon, schrieb einen Zettel, fuhr zur Schule, holte Kevin dort ab und fuhr ihn zum Unfallkrankenhaus.«
    »Na, und? Das hättest du auch gekonnt.«
    »Das ist ja noch nicht alles. In der Notaufnahme gab sie Kevin ab und wußte sein Geburtsdatum, den Namen seines Vaters und die Mitgliedsnummer bei der Krankenkasse auswendig.«
    »Ich weiß noch, wie du Andy ins Krankenhaus brachtest …«
    »Daran möchte ich nicht erinnert werden.«
    »Was war es doch noch, was der Arzt sagte?«
    »Er wollte die Schrunden in meinen Fersen behandeln.«
    »Stimmt, und um telefonieren zu können, mußtest du einen Scheck über einen Groschen ausschreiben.«
    Bei allem störte Estelle eigentlich niemanden. Sie war nur ein verwischter, nebelhafter Umriß, der täglich die Einfahrt herauf- und hinunterschoß. Ich war ganz überrascht, als sie mich eines Tages draußen an der Straße vor meinem Briefkasten ansprach.
    »Erma«, fragte sie. »Was stimmt eigentlich nicht mit mir?«
    Zunächst wich ich aus. »Nichts. Warum?«
    »Seien Sie aufrichtig. Ich passe nicht so recht in diese Umgebung. Warum eigentlich nicht?«
    »Das ist schwer zu erklären«, stotterte ich. »Sie sind eben … Also, Sie sind der Typ Frau, den man anruft, um zu fragen, welches Mittel man gegen Unpünktlichkeit einnehmen soll.«
    »Aber ich würde doch so gern ein paar echte Freundinnen haben.«
    »Das weiß ich, Helen, und ich würde Ihnen auch so gern helfen, aber zunächst müssen Sie einmal lernen, was das ist: eine Freundin.«
    »Sagen Sie es mir.«
    »Das ist gar nicht so einfach. Eine Freundin wird nicht Diät halten, wenn man selber fett ist, sondern sie wird dir erzählen, daß sie einen ehemaligen Verehrer von dir gesehen hat, der inzwischen Geistlicher geworden ist. Eine Freundin macht den Babysitter bei deinen Kindern auch dann, wenn sie gerade eine ansteckende Krankheit haben. Eine Freundin wird lügen, wenn man sie fragt, was sie von meiner Heimdauerwelle hält. Eine Freundin wird jeden mit Mord bedrohen, der eine der Ankleidekabinen aufsuchen will, wenn man dort gerade Badeanzüge probiert. Vor allem aber eines würde eine Freundin nie: jede Minute des Tages voll ausnutzen, um alle anderen dadurch ins Unrecht zu setzen.«
    Von diesem Tag an ging mit Estelle, der Supermutter und Superhausfrau unseres Viertels, eine Wandlung vor sich. Nicht mit einem Schlag, aber im Lauf der Wochen beobachteten wir, daß sie lernte, alles ein wenig nachlässiger zu betreiben. Anfangs waren es Kleinigkeiten. Zum Beispiel, daß sie ein Deodorant kaufte, das nicht im Angebot war oder daß sie die Notrufnummern auf der Wählscheibe des Telefons mit dem Fingernagel abkratzte.
    Eines Morgens klopfte eins ihrer Kinder bei uns und bat, auf unser Klo gehen zu dürfen; seine Mami habe es versehentlich ausgesperrt.
    Eine Woche später ging Estelle während einer Fahrt für die Pfadfinder plötzlich das Benzin aus. Ein paar Tage später vergaß sie, die Mülltonnen zuzubinden, und die Hunde zerrten Butterbrotpapier und Gemüsereste über ihren Rasen, so daß alle Welt es sah.
    Eines Nachmittags tauchte sie überraschend bei mir auf, hockte sich auf den Küchentisch und vertraute mir an: »Ich bin zur Erkenntnis gekommen – es gibt ein Weiterleben.«
    »Was für Weiterleben?«
    »Ja, ich glaube, das Leben geht weiter, wenn die Kinder erwachsen sind.«
    »Woher haben Sie das?«
    »Es stand auf einer Packung Vitaminpillen.«
    »Und was wollen Sie damit sagen, Estelle?«
    »Ich versuche Ihnen verständlich zu machen, daß ich dann flüchten werde. Heim, in die City. Dort wartet das wahre Leben auf mich.«
    »Reden Sie keinen Unsinn«, sagte ich.
    »Ich habe mich so bemüht, perfekt zu sein«, schluchzte sie.
    »Ich weiß, ich weiß.«
    In diesem Augenblick kam eines von Estelles Kindern in freudiger Aufregung hereingestürzt. »Mami, Mami«, rief es. »Ich gehöre in die Gruppe, die eine Fluorid-Zahnpasta benutzt hat, und ich habe nur ein

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