Ich, Tochter eines Yakuza (German Edition)
So kam es, dass ich mich um meinem Vater kümmerte und ihn mehrere Monate lang pflegte.
Ich war immer noch ein Yankee, immer noch in der Pubertät und immer noch hungrig nach Abenteuer und Spaß. Es war schwer für mich, dass ich nun nicht mehr ausgehen konnte, aber ich hoffte, dass sich mein Vater schnell wieder erholen würde, und besuchte ihn jeden Tag.
Doch wir hatten noch andere Sorgen, denn mein Vater war in einem Einzelzimmer untergebracht, und das kostete wesentlich mehr als ein Mehrbettzimmer. Wenn er etwas brauchte, musste ich es im kleinen Krankenhausladen kaufen, der irrsinnige Preise verlangte, und da kamen ganz schöne Summen zusammen. Damals steckte unsere Familie bereits in finanziellen Schwierigkeiten, daher war Geld ein echtes Problem.
Jeden Tag kam eine alte Frau, Fujisawa-san, und besuchte meinen Vater. Sie war seit ihrer Kindheit immer wieder krank gewesen und hatte die meiste Zeit ihres Lebens im Krankenhaus verbracht. Dennoch hatte sie es geschafft, sich ein heiteres Wesen zu bewahren. Außerdem war sie sehr neugierig, was das Leben außerhalb der Krankenhausmauern betraf, und sehr höflich.
Als wir uns das erste Mal trafen, fragte sie mich: »Wie heißt du?«
Ihre Stimme war wundervoll, wie die eines kleinen Singvogels.
»Shoko.«
»Oh, darf ich dich Shoko-chan nennen?«
»Gerne.«
»Shoko-chan, du hast eine so schöne Haarfarbe. Darf ich dein Haar einmal berühren?«
»Natürlich.«
»Ich habe noch nie so helles Haar angefasst. Das ist so weich, wie das Haar von einer Porzellanpuppe.«
Ich musste einfach lächeln, ich konnte nicht anders. Sie war die erste Erwachsene, die mich ohne Vorurteile auf mein Aussehen angesprochen hatte. Oft ging ich im winzigen Garten des Krankenhauses spazieren und plauderte dabei mit ihr. Das Fleckchen Natur schenkte mir irgendwie etwas inneren Frieden. Die Bäume dufteten und ich holte tief Luft, um meine Lungen, die sonst nur Zigarettenrauch einatmeten, mit guter, sauberer Luft zu füllen.
Ab und zu malte ich auch Bilder von den Pflanzen und Blumen. Ich pflückte nie etwas ab, weil ich überzeugt war, dass die Pflanzen glücklicher waren, wenn sie dort verwelken konnten, wo sie geblüht hatten, und nicht in einer kleinen Blumenvase, auch wenn das vielleicht hieß, dass ihre Schönheit geschätzt wurde.
Sicherlich inspirierte mich Fujisawa-sans Liebenswürdigkeit zu solchen Gedanken. Sie empfahl meinem Vater auch, Haiku zu lesen. Als er eines geschrieben hatte, schickte sie es an ihren Haiku-Club und er bekam dafür sogar einen Preis. Ich begriff, dass Maki, die selbst drei Preise gewonnen hatte, wohl das Talent von unserem Vater geerbt hatte. Von diesem Punkt an war er richtig begeistert von Haiku. Natürlich machte er sich große Sorgen, auch um uns und viele andere Dinge, aber dank Fujisawa-san hatte er etwas Frieden gefunden, und das half ihm, gegen die Krankheit zu kämpfen.
Als ich eines Tages zum Getränkeautomaten im Krankenhaus ging, um einen Saft zu kaufen, fand ich ein Portemonnaie auf dem Boden. Als ich hineinsah, entdeckte ich einen ziemlich großen Geldbetrag, 180 000 Yen (etwa 1600 Euro).
Taschengeld hatte ich zum letzten Mal in der Grundschule bekommen, um Schulsachen zu kaufen. Natürlich gaben meine Eltern mir nichts mehr, seitdem ich ein Yankee geworden war. Daher konnte ich mir nie Klamotten kaufen, und Maki und ich mussten uns Kleider teilen. Freunde von uns bekamen das Geld für ihre Motorräder, Make-up, Kleidung von ihren Eltern und erhielten zudem noch Taschengeld. Dieser Geldbetrag war für mich also ziemlich hoch und ich hätte das Ganze gern behalten, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass die Götter mich beobachteten. Also brachte ich das Portemonnaie ins Schwesternzimmer.
Wenig später, als ich gerade mit meinem Vater in der Cafeteria Tee trank, gab es eine Durchsage wegen der Fundsache. Nach einer Weile schob eine Krankenschwester einen Rollstuhl mit einem Mann im Schlafanzug zu uns, er war vermutlich etwa so alt wie mein Vater und wirkte sehr überrascht. Offenbar hatte er nicht gedacht, dass jemand, der so viel Geld ehrlich abgab, so aussah wie ein Yankee.
»Du hast das Geld gefunden? Vielen Dank, dass du es abgegeben hast. Damit hast du mir wirklich sehr geholfen.«
Er wirkte tatsächlich sehr erleichtert.
»Hier, das ist zwar nicht viel, aber immerhin …«, und damit hielt er mir 20 000 Yen (etwa 180 Euro) hin.
»Sind Sie auch Patient im Krankenhaus?«, fragte ich ihn, nahm das Geld aber nicht
Weitere Kostenlose Bücher