Ich, Tochter eines Yakuza (German Edition)
auszuhalten.«
»Immer noch die alte Shoko! Komm, jetzt feiern wir.«
Osamu lachte laut.
Als ich nach der langen Zeit endlich wieder mit meinen Freunden zusammen war, kam es mir vor, als hätte sich gar nichts verändert und als ob es die acht Monate im Erziehungsheim gar nicht gegeben hätte.
Am nächsten Tag besuchte ich, nach Lösungsmitteln stinkend, den Beratungslehrer meiner Schule. Er begrüßte mich freundlich.
»Oh, Tendo, hallo, schön, dich zu sehen. Hast du vor, in Zukunft wirklich ernsthaft etwas zu lernen?«, fragte er und berührte mich dabei am Arm.
»Ich weiß nicht, aber ich wollte Sie sehen und mit Ihnen reden.«
»Was willst du denn sonst machen, wenn du jetzt keinen Neuanfang wagst?«
»Ich kann Ihnen nichts versprechen, aber ich möchte es schon versuchen.«
»Na ja, wenigstens bist du ehrlich.«
»Ich kann Sie nicht anlügen.«
»Kannst du mir nicht versprechen, anständig zu werden?«, meinte er ernst.
»Das geht nicht, fürchte ich.«
»Warum warst du denn dann ein halbes Jahr im Erziehungsheim? Soll das etwa alles umsonst gewesen sein?«
»Nein. Ich habe da wirklich viel gelernt. Danke, Sensei.«
Die letzten acht Monate der Mittelstufe hatte ich im Erziehungsheim verbracht. Vielleicht wollte ich einen Schlussstrich unter das Ganze ziehen, indem ich mich mit dem Lehrer traf und mit ihm sprach – mit dem einzigen Lehrer, der sich die Mühe gemacht hatte, mich zurechtzuweisen.
»Du kannst jederzeit herkommen, wenn du Lust dazu hast«, sagte er, bevor ich ging, und klopfte mir dabei auf die Schulter.
Draußen röhrte ein Auspuff und ein Motor heulte auf, Kosuke wartete.
»Tut mir leid, Kosuke, tut mir echt leid!«
Dann sprang ich auf den Rücksitz seiner Kawasaki in Lilametallic, zur Begrüßung spielte seine Hupe die ersten zwölf Töne der Erkennungsmelodie aus dem Paten 18
› Hinweis
.
Hupen: Yankee und Bosozoku rüsten ihre Gefährte oft mit Hupen aus, die Melodien spielen, besonders beliebt ist die Titelmelodie aus dem Paten .
Es schien, als wäre alles wieder wie früher, in Wirklichkeit hatten aber zu dieser Zeit die großen Schwierigkeiten, die meine Familie erleben sollte, längst Gestalt angenommen.
3 . S PEED
Der schlechte Ruf meiner Familie beendete die Verlobung meines großen Bruders. Denn die Familie seiner Verlobten ließ Nachforschungen über uns anstellen. Als sie die Verlobung lösten, erklärten sie meinen Eltern gegenüber: »Nun ja, die eine Schwester war im Jugendgefängnis, die andere in einem Erziehungsheim … das ist nicht gerade eine Empfehlung …«
Natürlich konnten sie schlecht sagen: »Der Grund ist, dass der Vater ein Yakuza ist.« Außerdem entsprach es ja der Wahrheit, dass beide Schwestern im Jugendgefängnis beziehungsweise im Erziehungsheim gewesen waren, also war es irgendwie verständlich, dass sie nichts mehr mit uns zu tun haben wollten.
Ich hatte meinem durch und durch anständigen Bruder gegenüber schreckliche Schuldgefühle deswegen, aber er sagte nur mit einem traurigen Lächeln: »Das ist nicht eure Schuld, Shoko. Es hat eben einfach nicht sein sollen. Eigentlich will ich auch nicht mein Leben mit einer Frau verbringen, die mich wegen so etwas ablehnt.«
Obwohl er versuchte, zu lächeln, war ich sicher, dass er mit der ganzen Sache ein großes Problem hatte. Außerdem waren da noch die bösartigen Gerüchte, dass mit meinem Bruder wohl etwas nicht stimmen könne, da er ja schon so lange Single sei, und er deswegen auch jetzt nicht heiraten könne.
Warum nur müssen sich Menschen immer in die Angelegenheiten anderer einmischen und schlecht über sie reden? Warum haben sie mich und meinen Bruder auf die gleiche Stufe gestellt, nur weil wir zufällig verwandt sind?
Lieber Bruder … es tut mir so leid.
Obwohl ich mich bei der ganzen Sache wirklich nicht gut fühlte, konnte ich dennoch nicht aufhören, mein Leben wie bisher weiterzuleben.
In diesem Sommer erkrankte mein Vater an Tuberkulose. Er schwebte lange Zeit in Lebensgefahr und überstand die kritische Phase nur knapp. Aber aus dem großen, imposanten Mann war ein kleiner und magerer Mensch geworden, er wirkte wie eine ganz andere Person. Es dauerte lange, bis er sich erholte und langsam besser aussah, auch musste er wieder gehen lernen.
Meine Mutter hatte mit der kleinen Na-chan, den Firmen und den Yakuzas jede Menge zu tun. Maki war frisch verheiratet und lebte bei der Familie ihres Mannes. Daher konnte sie sich nicht so viel Zeit nehmen, wie sie wollte.
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