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Ich, Tochter eines Yakuza (German Edition)

Ich, Tochter eines Yakuza (German Edition)

Titel: Ich, Tochter eines Yakuza (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shoko Tendo
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solchen Kummer gemacht habe. Aber ich muss jetzt gehen.«
    Das Herz tat mir weh, und ich war viel zu aufgewühlt, um den Druck ihrer Hand zu erwidern. Als ich meine Finger vorsichtig aus den ihren löste, fielen ihre Tränen auf meinen Handrücken.
    Mein Vater sah mir direkt in die Augen.
    »Sei stark und mache alles richtig, was du machen sollst.«
    Begleitet von den beiden Beamten ging ich daraufhin durch den stillen Flur. Nur das grässliche Schmatzen meiner ausgelatschten Gummischuhe war zu hören. So verließ ich das Gericht und blickte kein einziges Mal zurück.
    Sobald ich im Erziehungsheim angekommen war, wurde ich in einen Raum geführt, in dem ein Klappstuhl stand.
    »Setz dich da hin«, befahl eine Erzieherin, »ich werde dir jetzt die Haare schneiden.«
    Meine geliebten blonden Strähnchen wurden ohne zu zögern an der Wurzel abgeschnitten und fielen auf das Zeitungspapier auf dem Boden. Während die Schere im Einsatz war, musste ich mir die Heimvorschriften anhören. Als die Prozedur beendet war, klopfte ich mir die herabgefallenen Haare vom Schoß und zog den weinroten Trainingsanzug an, den man für mich bereitgelegt hatte.
    Das war der Beginn meines streng regulierten Lebens im Erziehungsheim, es war das völlige Gegenteil zu meinem bisherigen Leben.
    Gleich nach dem Aufstehen gab es einen Appell. Dann wuschen wir uns rasch, putzten und machten das Frühstück. Nach dem Essen räumten wir alles auf und gingen zum Unterricht. Dabei lernten wir auch Sticken, das war das Einzige, was ich wirklich nicht mochte. Wir mussten auch leichte landwirtschaftliche Arbeiten übernehmen, Dünger verteilen und Ähnliches. Im Sportunterricht mussten wir Marathon laufen, das war für meinen geschwächten Körper sehr anstrengend. Sicherlich hätte ich schneller laufen können, wenn ein Polizist oder Kobayashi hinter mir hergelaufen wäre …
    Es gab hier keine Ausreden oder Entschuldigungen. Alles war auf das Leben in der Gemeinschaft ausgerichtet, es gab Regeln und ich hatte keine andere Wahl, als mich anzupassen.
    Das war eine gute Erfahrung für mich, denn bisher hatte ich eigentlich immer nur das gemacht, was ich wollte. Durch die Strafe wurde mir auch zum ersten Mal der Wert der Freiheit richtig bewusst. Ich verstand jetzt auch, dass mein Vater im Gericht recht gehabt hatte. Es war wichtig, für das, was man getan hatte, die Verantwortung zu übernehmen. Wenn man etwas Falsches tut, dann landet man eben in einer Anstalt wie dieser. Ich war die Einzige, die wegen der Sache damals ins Erziehungsheim geschickt wurde. Aber das war in Ordnung so, denn wäre ich aus dem Jugendarrest wieder entlassen worden, dann wäre ich ganz sicher gleich zu meinen Freunden gegangen und nicht nach Hause.
    Und früher oder später wäre ich sowieso hier gelandet.
    Ich saß also meine Haft ab, allerdings kam es einmal zu einem kleinen Zwischenfall. Da mein Haar von Natur aus dunkelbraun und nicht schwarz ist, bekam ich Ärger, als Wasserstoffperoxyd aus dem Medizinschrank verschwand.
    »Damit hast du dir die Haare gebleicht!«, wurde mir vorgeworfen, so wie damals in der siebten Klasse.
    Ich riss mir eine Strähne aus und brüllte: »Das ist meine Naturhaarfarbe!« Dann warf ich der Erzieherin die Haare ins Gesicht und schubste sie zur Seite. Ich rannte los, schüttelte alle Erzieher ab, die mich verfolgten, und wollte nur noch nach draußen. Die Mauern des Heims waren nicht wirklich hoch, denn eigentlich sollte uns eher unser Gewissen im Heim halten als steinerne Barrieren. Ich fühlte mich gar nicht gut bei der ganzen Aktion, aber ich konnte es einfach nicht ertragen, wieder einmal verdächtigt zu werden, obwohl ich unschuldig war. Also floh ich aus dem Heim und suchte Unterschlupf bei Hiromi, einem älteren Mädchen aus unserer Clique, das in der Nähe des Heims wohnte. Sofort fing ich wieder an, Lösungsmittel zu schnüffeln, und war wieder ganz ein Yankee.
    Nach ungefähr einer Woche meinte Hiromi: »Geh zurück ins Heim, Shoko. Sonst stecken die dich noch ins Jugendgefängnis. Du kannst ja nicht ewig hier bleiben und woanders kannst du nicht hin. Mit einer, die auf der Flucht ist, will doch keiner was zu tun haben.«
    Sie versetzte sogar ein paar Dinge ihrer Eltern im Leihhaus, damit ich genug Geld für ein Taxi hatte. Natürlich hatte sie recht, alle anderen waren mir aus dem Weg gegangen, weil sie Angst hatten, dass sie Ärger bekämen, wenn ich wieder im Heim wäre. Aber Hiromi war anders. Sie hat ihren Freund, mit dem sie

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