Ich, Tochter eines Yakuza (German Edition)
ich konnte, aber das reichte irgendwann nicht mehr, daher borgte sich Maki auch Geld von Papa. Weil er ihr etwas gab, hatte allerdings auch er dann nicht mehr genug Geld und kam zu mir, um sich etwas zu leihen. Es war ein Teufelskreis, und das Geld reichte nie, ganz egal, wie viel ich auch arbeitete. Icchans und Makis Schuldenberg wurde immer größer, und am Ende wurde sogar Takamitsu in das Ganze hineingezogen.
In dieser Zeit wurde ich 23. Ich litt immer noch stark unter dem Verlust meiner Mutter und fühlte mich von all den Anforderungen um mich herum völlig überfordert. Als meine Mutter gestorben war, hatte ich 48 Kilogramm gewogen, mittlerweile war ich auf nur noch 43 Kilogramm abgemagert.
Kurz nachdem ich in der Snackbar angefangen hatte, bekam ich eine Gehaltserhöhung, daher bat ich aus gesundheitlichen Gründen um eine Verkürzung meiner Arbeitszeit auf vier Stunden am Tag, von acht Uhr abends bis Mitternacht.
An einem Sonntag führte mich Taka in ein Shabu-Shabu-Restaurant 41
› Hinweis
. Das Wasser brodelte heiß im kleinen Kupferkessel, das Fleisch war appetitlich in Rechtecke geschnitten, die so dünn waren wie die Spielkarten in dem Casino, in das ich meine Kunden ab und zu begleitete, und daneben lag ein Berg frisches Gemüse auf einem großen Teller. Plötzlich musste ich daran denken, wie Mama immer mit einem Lächeln gesagt hatte, dass das Essen im Kreis der ganzen Familie immer am besten schmeckte.
Shabu-Shabu-Restaurant: In Japan gibt es viele Restaurants, die sich auf ein einziges Gericht spezialisieren. Shabu Shabu ist eine Art Fondue-Eintopf. Fleisch und Gemüse werden in einem Topf mit kochendem Wasser kurz gegart und dann mit verschiedenen Soßen gegessen.
»Was ist los mit dir?«
Takamitsu schob mit seinem Bierglas das Schüsselchen mit Sesamsoße zur Seite und stellte sein Glas dann ab.
»Ich wünschte, Mama wäre hier bei uns …«
»Shoko, deine Mutter lebt nicht mehr. Wie lange willst du noch so weitermachen?«
»Ja, ich weiß …«
»Du hast doch mich.«
Der Dampf aus dem Kessel verbarg sein Gesicht wie hinter einem Schleier und er kam mir sehr weit weg vor, obwohl er doch ganz nah war.
Etwa zu dieser Zeit wurde ich emotional immer instabiler. Beim kleinsten Anlass regte ich mich furchtbar auf, und außerhalb der Arbeit sprach ich kaum noch ein Wort. Daher suchte ich einen Arzt auf, der eine schwere Depression bei mir diagnostizierte und mir Tabletten verschrieb. Da die wirtschaftliche Blütezeit in Japan vorbei war, kamen immer weniger Gäste in die Bars und gaben auch weniger Geld aus als bisher, was meine Einkünfte natürlich schmälerte. Dennoch gab ich Maki weiterhin so viel Geld wie möglich. Ich wollte Taka nicht in meine familiäre Misere involvieren und schleppte mich tagtäglich zur Arbeit. Je mehr ich aber versuchte, alles allein zu schaffen, desto schlimmer wurde mein mentaler Zustand.
Als ich 24 wurde, hatte sich immer noch nichts zum Besseren verändert und ich hatte allmählich wirklich genug davon, dass alles ständig nur abwärts ging. Daher versuchte ich mehrmals, Maki zu überreden, sich endlich von Icchan scheiden zu lassen, doch sie wollte nicht hören: »Wir haben doch die Verantwortung für das Baby, und eigentlich ist er wirklich ein guter Mann. Du wirst schon sehen, er kommt schon wieder auf die Beine.« Sie nahm Icchan nur in Schutz und hielt weiter zu ihm. Das erinnerte mich sehr an meine Zeit mit Tanaka, an dem ich lange festgehalten und den ich geliebt hatte, obwohl er mich brutal geschlagen und getreten hatte. Letztlich hatte ich ihm aus Liebe alles verziehen und immer wieder auf einen Neuanfang gehofft.
Maki hatte mich damals unter Tränen angefleht: »Shoko, du musst mit Tanaka Schluss machen, und zwar schnell. Erstens ist er verheiratet und zweitens schlägt er dich die ganze Zeit. Das kann doch keine Liebe sein. Willst du außerdem wirklich immer nur die Geliebte bleiben?«
Vermutlich musste auch Maki erst an ihre absolute Grenze gelangen, um dann endlich zu sich zu kommen.
Ich magerte bis auf 40 Kilogramm ab, sah blass und krank aus. Da ich mich aber nicht mehr so sah, wie ich wirklich war, sondern eher, wie ich sein wollte, fand ich mich immer noch hübsch.
In dieser Zeit hatte ich jede Nacht Albträume: Ich träumte davon, dass ich die Kuchen und die Süßigkeiten verschlang, die Papa mit nach Hause gebracht hatte, nur damit er nicht ausflippte. Oder von den Grausamkeiten in der Schule, als alle auf mir herumgehackt hatten,
Weitere Kostenlose Bücher