Ich, Tochter eines Yakuza (German Edition)
hübsch gewesen, aber die letzten Jahre hatte sie tiefe Falten bekommen und war alt geworden, ohne dass ich es richtig mitbekommen hatte. Doch ich wollte, dass sie im Himmel wieder schön war, daher versuchte ich, ihr Lippenstift aufzutragen. Aber meine Hand zitterte so sehr, dass ich mehr als eine halbe Stunde für ihr letztes Make-up brauchte.
Dann nahm jeder eine Blume in die Hand und legte sie in den Sarg. Ich sagte meine Abschiedsworte und verließ zusammen mit dem Leichenwagen die Halle.
Nachdem sich im Krematorium die Türen des Ofens hinter dem Sarg geschlossen hatten, ging ich nach draußen und sah nach oben. Weißer Rauch stieg auf. Mama verließ den Schornstein als lange, weiße Wolke und flog geradewegs in den Himmel.
Ein Bestatter öffnete die eiserne Tür, als das Feuer erloschen war, sammelte die Knochen ein, legte sie zum Abkühlen auf ein Gestell und zog seine Handschuhe aus.
»War das Ihre Mutter?«
»Ja.«
»Wie alt ist sie geworden?«
»59.«
»So jung … Mein herzliches Beileid.«
Die Knochen hatten zahllose kleine Löcher und sahen fast aus wie Korallen. Vermutlich hatte der Bestatter nur nach dem Alter gefragt, weil er beim Anblick der Knochen befürchtet hatte, dass sich jemand beim Alter auf der Totentafel geirrt hatte.
Vor ihrem Schlaganfall hatte meine Mutter noch etwas mit meinem Vater gegessen. Er erzählte mir, dass sie danach gesagt hatte: »Das hat gut geschmeckt. Aber jetzt bin ich ziemlich müde und fühle mich auch nicht so gut. Ich werde mich wohl besser ein bisschen hinlegen.«
»Ist alles okay mit dir?«
»Ja, keine Sorge, und vielen Dank.«
Seitdem war sie nicht mehr aufgewacht.
Sie hatte so hart dafür gearbeitet, ein kleines Haus kaufen zu können, in dem wir wieder alle zusammen wohnen würden. Und ihr schwacher Körper war wohl wirklich müde gewesen. Sie hatte sich sogar noch bei Vater bedankt, für den sie an guten und an schlechten Tagen immer da gewesen war.
Wenn ich als Kind krank im Bett gelegen hatte, hatte ich immer Angst, wenn Mama nicht in der Nähe war. Ich war sogar barfuß aus dem Haus gelaufen, um nach ihr zu suchen. Aber jetzt war meine Mutter nicht mehr da und würde auch nicht mehr kommen, egal, wie weit ich liefe.
Ich konnte nicht aufhören zu weinen.
8 . L ABYRINTH
Nach Mamas Tod gab mein Vater das Haus auf, das sie gemietet hatten. Na-chan, die mittlerweile in der Oberstufe war, zog daraufhin zu meinem Bruder und mein Vater zu Maki, da er angeblich in Yokohama mehr verdienen konnte.
Ein halbes Jahr später kündigte der Manager unserer Spielhalle, weil es mit dem Inhaber Meinungsverschiedenheiten über die Geschäftspolitik gegeben hatte. Er meinte zu uns: »Wenn ich es hier weiter aushalten könnte, dann hätte ich eine sichere Anstellung und könnte mich auch weiterhin um euch kümmern. Aber ich habe mich entschieden, Ende des Monats zu kündigen. Es wird sicher nicht einfach werden, aber wenn ihr wollt, kann ich euch neue Jobs anbieten. Was meint ihr dazu?«
Taka und ich liebten Hara, den Manager, mittlerweile wie einen großen Bruder, also stimmten wir auf der Stelle zu, ihn zu begleiten. Wir hoben unsere mickrigen Ersparnisse ab und mieteten eine Einzimmerwohnung in Tokio. Hara verschaffte Takamitsu einen Job bei einem Kreditinstitut, und ich fing wieder an, in einer Snackbar zu arbeiten, dieses Mal in Shinjuku, von sieben Uhr abends bis fünf Uhr morgens, zehn Stunden lang.
Wenig später musste Hara wegen seiner Eltern zurück in seine Heimatstadt Kumamoto. Als wir ihn zum Flughafen brachten, meinte er mit einem Lächeln: »Vergesst nicht, was ich euch alles beigebracht habe. Macht so weiter wie bisher, bis ihr euer eigenes Kreditinstitut leitet.«
Jetzt war also auch unser Boss weg, den wir wie einen Bruder geliebt hatten, und ich fühlte mich allein, verlassen und ohne Zuhause, in das ich zurückkehren konnte. Gleichzeitig redete ich mir ein, dass ich noch härter arbeiten musste, um gut für meine Familie sorgen zu können. Damit setzte ich mich enorm unter Druck.
Auf der einen Seite gab es da Makis Schulden, die zum größten Teil von Icchans Spielsucht herrührten. Er selbst arbeitete nur selten etwas und schnorrte sich seine Lebenshaltungskosten bei seinen Eltern zusammen. Makis Leben war erbärmlich. Wegen dem Baby konnte sie nicht arbeiten, nahm daher Kredite bei verschiedenen Instituten auf und steckte schließlich bis zum Hals in Schulden. Bald fing sie an, immer wieder Geld von mir zu leihen. Ich gab ihr, so viel
Weitere Kostenlose Bücher