Ich, Tochter eines Yakuza (German Edition)
stottern.
»Sie arbeiten alle in der Gehirnchirurgie. Eine Patientin wie meine Mutter ist da sicher nicht selten. Und selbst wenn sie keine Chance hat, noch gerettet zu werden, so lebt sie doch noch, solange ihr Herz schlägt. Wenn Sie das nicht verstanden haben, dann sollten Sie sich vielleicht einen anderen Job suchen!«
Hastig trug sie eine Salbe auf.
»Entschuldigen Sie bitte«, flüsterte sie, verneigte sich leicht und verließ den Raum.
Diese schlechte Behandlung machte mich traurig und wütend. Ich konnte mich gar nicht mehr erinnern, wann ich mich das letzte Mal so aufgeregt hatte. In meiner Zeit als Yankee hatte ich mich oft aus Langeweile mit anderen angelegt, weil ich recht haben oder irgendwen beeindrucken wollte. Wenn ich damals mit meinen Freunden telefonierte, hatte Papa immer etwas an meiner Ausdrucksweise auszusetzen. Wenn ich ihm dann widersprach, nahm er mir den Hörer weg und schlug mir auf den Kopf, bis ich dachte, dass er platzt. Mama bat mich auch oft, dass ich mich damenhafter benehmen solle.
Erst jetzt nach all den Jahren konnte ich verstehen, was meine Eltern durchgemacht hatten und wie wütend ich sie mit meinem Verhalten gemacht haben musste …
»Mama, es tut mir so leid …«
Nach einer Weile kam eine andere Krankenschwester.
»Es riecht hier sehr unangenehm. Ich werde Tendo-san den Mund ausspülen.«
Sie saugte Wasser in eine Spritze ohne Nadel und spritzte es in Mamas Mundhöhle. Wie durch ein Wunder war der Gestank plötzlich verschwunden.
»Warum wurde das nicht schon früher gemacht? Ich hatte ja keine Ahnung, dass das helfen würde. Was für ein grauenhaftes Krankenhaus ist das eigentlich?«
»Nun … ich kann nicht sagen, was sich die anderen Krankenschwestern dabei gedacht haben …«
Natürlich konnte sie nichts gegen ihre Kollegen sagen, aber im Gegensatz zu den anderen, unsensiblen Schwestern, denen alles letztlich egal war, hatte sie den Geruch sofort bemerkt und die richtige Maßnahme dagegen ergriffen.
Wussten die anderen Schwestern oder Pfleger nichts von dieser so einfachen Reinigungsprozedur? Oder wussten sie es und machten es einfach nicht, weil es Arbeit bedeutete? Oder war ihnen alles so egal, dass sie den Geruch nicht einmal bemerkt hatten? Diese Teilnahmslosigkeit schockierte mich zutiefst.
Draußen wurde die Hitze jeden Tag lähmender und die Zikaden zirpten lauter und lauter. Eines Tages hörten sie dann plötzlich auf damit und ich spürte, dass sich etwas verändert hatte. Die einzigen Geräusche im Krankenzimmer waren das regelmäßige Piepsen des Elektrokardiogramms, das mich an den wiederkehrenden Alarm eines Weckers erinnerte, und das Rauschen der Lungenmaschine, das mich an die Sauerstoffflasche eines Tauchers denken ließ. Da ich die Geräusche irgendwann nicht mehr ertragen konnte, stellte ich leise Musik an, um mich wenigstens ein bisschen davon abzulenken.
Die Sonne ging unter und tauchte den Himmel in ein kräftiges Orange. Als ich vom Himmel zu den Bäumen blickte, entdeckte ich den leeren Panzer einer Zikade. Angeblich leben Zikaden nur eine Woche lang. Sie zirpen mit aller Kraft, nutzen die kostbare, viel zu kurze Zeit, um sich der Sommerhitze zu widersetzen, und wenn sie nicht mehr zirpen, fallen sie von ihrem Baum und kehren am Ende des Sommers in die Erde zurück. Sie verlassen ihr Zuhause und sterben.
Mein Zuhause, in dem ich aufgewachsen war, war mittlerweile abgerissen worden. Und jetzt stand mir wieder ein Verlust bevor …
Ich weiß nicht mehr, wie lange ich so da saß. In der Dämmerung funkelten am Himmel die Sterne, klein wie Wassertropfen. Und eine Böe rauschte mit einem Raunen durch die grünen Blätter, als wollte sie mit ihnen spielen.
In diesem Moment hatte ich das Gefühl, dass meine Mutter sich von mir verabschieden wollte. Daher griff ich schnell nach ihrer Hand und sagte: »Musst du jetzt von uns gehen? Ich wollte doch endlich einmal für dich sorgen. Bitte, verlass mich jetzt nicht, lass mich nicht allein.«
Ich weinte, und in diesem Moment lief auch eine Träne aus dem Auge meiner Mutter über ihre Wange.
»Mama!«
Sie konnte nicht sprechen, aber unsere Herzen verstanden sich. Ich konnte fühlen, dass meine Mutter das Gleiche empfand wie ich. Mit meiner rechten Hand wischte ich ihr vorsichtig die Träne von der Wange und sah die liebe, warmherzige Mutter vor mir, die sie immer gewesen war. Sie hatte immer und überall auf mich aufgepasst. Ich wünschte, ich könnte ihre Stimme noch einmal hören, die
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