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Ich Töte

Ich Töte

Titel: Ich Töte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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schon, auf jeweils andere Art und unter anderen Bedingungen, aber in einem Fall wie diesem konnte man sich nur schwer daran gewöhnen.
    Gregor Yatzimin lag ausgestreckt auf dem Bett, die Hände über der Brust gekreuzt, in der Position, in die man Tote normalerweise bringt. Wäre nicht das grauenvoll verstümmelte Gesicht gewesen, hätte man an einen Leichnam gedacht, den irgendein Bestattungsunternehmen vor der Beisetzung auf dem Bett aufgebahrt hat. An der Wand, höhnisch wie immer, die in Zorn und Blut geschriebenen Worte.
    Ich töte …
    Alle schwiegen vor dem Tod. Vor jenem Tod. Wieder ein neuer Mord ohne Motiv, ohne Erklärung, bis auf das kranke Gehirn, das ihn verübt hatte. Der Zorn wurde nun zur scharfen Klinge, die nicht weniger geschliffen war als die des Killers, welche sich immer wieder in die schmerzhaften Wunden bohrte.
    Die Stimme von Inspektor Morelli riss alle aus dem tranceartigen Zustand, in den sie gefallen waren, wie ausgeliefert der hypnotischen Faszination des reinen Bösen.
    »Irgendwas ist anders …«
    »Was meinst du?«
    »Na ja, es ist nur so ein Gefühl, aber hier ist nichts von diesem Delirium wie bei den anderen Morden. Kein Blutbad, keine Wut.
    Sogar die Haltung des Leichnams. Fast scheint es, als habe da jemand … Respekt vor dem Opfer gehabt, so etwas in der Art.«
    »Willst du damit sagen, dass diese Bestie Mitleid empfinden könnte?«
    »Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich rede ich Unsinn, aber das war mein spontaner Eindruck, als ich hier hereinkam.«
    Frank legte eine Hand auf Morellis Schulter.
    »Du hast Recht, die Szenerie ist anders als bei den anderen Verbrechen. Ich glaube nicht, dass du Unsinn redest. Und selbst wenn, dann wäre das nur ein weiterer kleiner Beitrag zu all dem, was wir heute Nacht schon geredet und gemacht haben.«
    Sie warfen einen letzten Blick auf den Körper Gregor Yatzimins, des ewigen Tänzers, des cygnus olor, wie ihn die Kritiker auf der ganzen Welt getauft hatten. Trotz des entstellten Körpers vermittelte 286

    er noch immer den Eindruck von Grazie, als bleibe sein Talent selbst vom Tod unangetastet.
    Coudin verließ das Zimmer und die drei anderen folgten ihm.
    »Und?«, fragte Hulot, auch wenn er nur wenig Hoffnung hatte.
    Der Gerichtsmediziner zuckte mit den Schultern.
    »Nichts Besonderes. Abgesehen vom Wüten im Gesicht, das, wie ich annehme, mit einem geeigneten Schneidinstrument ausgeführt wurde, wahrscheinlich einem Skalpell, gibt es nicht viel zu bemerken. Die Untersuchung der Gesichtsverletzungen wird in einem Speziallabor durchgeführt, auch wenn ich auf den ersten Blick schon sagen kann, dass die Arbeit mit großem Geschick durchgeführt wurde.«
    »Klar, unser Freundchen hat ja auch schon eine gewisse Praxis.«
    »Der Tod wurde durch einen Pistolenschuss verursacht, abgefeuert aus kurzer Distanz. Auch hier kann ich im Moment nur ein gro
    ßes Kaliber vermuten, etwa ein neuner. Schuss ins Herz, fast sofortiger Tod. Von der Körpertemperatur her würde ich sagen, dass er ungefähr vor ein paar Stunden eingetreten ist.«
    »Als wir unsere Zeit bei diesem Arsch von Stricker verplempert haben«, murmelte Frank halb laut.
    Hulot sah ihn zustimmend an, denn er hatte exakt ihrer aller Gedanken ausgesprochen.
    »Ich bin hier fertig.« Coudin machte es kurz. »Was mich angeht, so könnt ihr die Leiche ruhig wegschaffen. Ich lasse euch den Autopsiebericht so bald wie möglich zukommen.«
    Daran hatte Hulot nicht den geringsten Zweifel. Vermutlich hatten sie auch Coudin ganz schön Feuer unterm Arsch gemacht. Und das war noch gar nichts im Vergleich dazu, was ihn selbst erwartete.
    »Okay. Danke, Doktor. Guten Tag.«
    Der Gerichtsmediziner schaute den Kommissar an, um Spuren von Ironie zu entdecken. Er entdeckte nur den stumpfen Blick eines geschlagenen Mannes.
    »Ebenfalls, Kommissar. Viel Glück.«
    Sie wussten beide allzu gut, wie sehr er das brauchte.
    Der Arzt entfernte sich, während die Leute eintrafen, die für den Abtransport der Leiche zuständig waren. Hulot nickte kurz mit dem Kopf, die beiden betraten das Zimmer und breiteten den Sack für den Leichentransport aus.
    »Morelli, lass uns mal ein paar Worte mit diesem Assistenten wechseln.«
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    »Ich schau mich zwischenzeitlich schon mal um«, meinte Frank gedankenverloren.
    Hulot folgte Morelli ans Flurende rechts vom Schlafzimmer. Die Wohnung war sehr organisch in einen Schlaf- und einen Wohnbereich eingeteilt. Sie gingen durch Zimmer, an deren Wänden lauter Plakate hingen,

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