Ich Töte
die sie Ihnen dann selbst erklären können. Wir fangen gleich heute Abend an.«
»In Ordnung. Ich werde unsere Leute anweisen, Ihnen größtmögliche Unterstützung zukommen zu lassen.«
Das Gespräch war zu Ende gewesen. Alle waren jetzt aufgestanden. Frank hatte den leicht verlegenen Blick von Jean-Loup Verdier gesehen und ihm bestärkend den Arm gedrückt.
»Vielen Dank, Jean-Loup. Es ist großartig, dass du mitmachst.
Ich bin sicher, dass du das wunderbar hinkriegen wirst. Hast du Angst?«
Der Moderator hatte offenherzig seine aquamarinblau Augen zu ihm erhoben.
»Ja, ich sterbe vor Angst.«
102
13
Frank sah auf die Uhr. Jean-Loup kündigte gerade den letzten Werbeblock vor Ende der Sendung an. Laurent gab Barbara ein Zeichen. Die Tontechnikerin ließ die Regler laufen, um von der Stimme des DJs auf das vorproduzierte Band überzuleiten.
Sie hatten fünf Minuten Pause.
Frank stand auf und bog leicht den Rücken durch, um sich zu strecken.
»Müde?«, fragte Laurent, während er sich eine Zigarette anzündete. Der Rauch stieg empor und wurde sofort von der Lüftung aufgesogen.
»Nicht besonders. In gewisser Weise bin ich es gewohnt zu warten.«
»Sie Glücklicher! Ich sterbe hier förmlich vor Anspannung«, warf Barbara ein und fuhr sich, während sie aufstand, mit der Hand durch die roten Haare. Inspektor Morelli, der auf einem gepolsterten Stuhl an der Wand saß, hob den Blick von seiner Sportzeitung. Auf einmal schien er wesentlich mehr am Körper der jungen Frau im leichten Sommerkleid interessiert zu sein als an der Fußballweltmeisterschaft.
Laurent drehte sich in seinem Sessel, bis er Frank gegenübersaß.
»Es geht mich vielleicht nichts an, aber es gibt da etwas, das ich Sie gern fragen würde.«
»Fragen Sie nur, dann sage ich Ihnen schon, ob es Sie was angeht oder nicht.«
»Wie hält man so einen Job aus, wie Sie ihn machen?«
Frank schaute ihn einen Augenblick an und durch ihn hindurch.
Für Laurent sah es aus, als denke er nach. Er konnte nicht wissen, dass Frank Ottobre in diesem Moment eine Frau vor sich erblickte, in einer Leichenhalle ausgestreckt auf einem Marmortisch, eine Frau, die seine Frau gewesen war, in guten wie in schlechten Zeiten. Eine Frau, die keine Stimme jemals mehr hätte aufwecken können.
»Wie hält man so einen Job aus, wie ich ihn mache?«
Frank wiederholte die Frage, als müsse er sie noch ein weiteres Mal hören, bevor er antworten konnte.
»Nach einer Weile hält man es nur noch aus, indem man vergisst.«
Laurent drehte sich zum Regiepult zurück, etwas betreten. Wahrscheinlich war es doch eine blöde Frage gewesen. Er konnte diesen 103
Amerikaner einfach nicht sympathisch finden, mit seinem athletischen Körper und den kalten, wie von Raureif bedeckten Augen. Er bewegte sich und sprach, als gehöre er nicht zu der Welt um ihn herum. Eine Haltung, die fast jede Form von Kontaktaufnahme ausschloss. Das war ein Mann, der niemals etwas gab, weil er niemals etwas verlangte. Und dennoch war er hier und wartete, und nicht einmal er schien zu wissen, worauf sie nun warteten.
»Das ist der vorletzte Spot«, kündigte Barbara an und setzte sich zurück ans Mischpult. Ihre Stimme löste die Spannung. Morelli wandte sich wieder seiner Sportberichterstattung zu, blickte aber gelegentlich weiter über den Rand seiner Zeitung auf die roten Haare der jungen Frau, die über die Stuhllehne herabfielen.
Laurent gab Jacques, dem Tontechniker an der Konsole, ein Zeichen. Überblendung. Eine episch ausladende Melodie von Vangelis ging über den Sender. In Jean-Loups Kabine leuchtete ein rotes Licht auf. Seine Stimme kam zurück, um den Raum wieder auszufüllen.
»Es ist elf Uhr fünfundvierzig auf Radio Monte Carlo. Die Nacht hat gerade erst angefangen. Wir sind hier für euch mit der Musik und den Texten, die ihr hören wollt. Niemand verurteilt euch, aber alle hören euch zu. Hier ist Voices , ruft uns an.«
Wieder füllte sich der Regieraum mit Musik, langsam und rhythmisch wie die Wellen des Meeres. Hinter der Scheibe seiner Kabine bewegte sich Jean-Loup ruhig und sicher auf dem Terrain, das ihm bestens vertraut war. Im Regieraum begann die LED-Anzeige der Telefonleitung zu blinken. Frank fröstelte seltsamerweise.
Laurent gab Jean-Loup ein Zeichen. Der DJ erwiderte es mit einem Kopfnicken.
»Da ist schon der nächste Anrufer. Hallo?«
Ein Augenblick der Stille, dann ein unnatürlicher Laut. Schlagartig hörte sich die Hintergrundmusik an wie ein
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