Ich Töte
Regiepult 97
saß, gab ihm ein Zeichen und wies nach hinten. Frank ließ seinen Drehstuhl herumrollen und sah hinter der Scheibe der schalldichten Tür Hulot stehen, der ihm etwas zu signalisieren versuchte.
Er stand auf und ging zu ihm hinaus.
Der Kommissar sah müde aus, sein Gesicht war das eines Mannes, der seit geraumer Zeit wenig und schlecht schläft. Frank bemerkte die dunklen Ringe unter seinen Augen, die unordentlichen grauen Haare und einen Trauerrand am Hemdkragen. Ein Mann, der in den letzten Tagen Dinge gesehen und gehört hatte, auf die er liebend gern verzichtet hätte. Er war fünfundfünfzig Jahre alt, wirkte aber zehn Jahre älter.
»Wie läuft’s, Frank?«
»Nichts. Die Sendung hat einen wahnsinnigen Erfolg. Er ist ein Phänomen. Wirklich geboren für das, was er macht. Ich weiß nicht, was sie ihm dafür zahlen, aber er ist sicher nicht überbezahlt. Was uns angeht, weniger als nichts. Absolute Stille.«
»Hast du Lust auf eine Cola?«
»Ich bin vielleicht Amerikaner, aber meine Großeltern väterlicherseits waren Sizilianer, Nicolas. Schon aus Tradition liegt mir Kaffee viel näher als Coca-Cola.«
»In Ordnung, dann eben Kaffee.«
Sie gingen zu dem Automaten am Ende des Flurs. Hulot klopfte seine Taschen nach Kleingeld ab. Frank zog lächelnd eine Karte hervor.
»Die Tatsache, dass ich beim FBI bin, hat den Intendanten tief beeindruckt. Wir sind Gäste des Senders, wenn schon nicht fürs Essen, so doch zumindest für die Getränke.«
Er führte die Karte in den Automaten ein und drückte einen Knopf. Als die Maschine fertig war, beugte er sich vor, nahm den Becher mit der schwarzen Flüssigkeit heraus und reichte ihn Hulot.
Der Kommissar trank einen kleinen Schluck Kaffee. Er fand, dass er widerlich schmeckte. Oder war es sein Mund, der widerlich schmeckte?
»Ach, das habe ich fast vergessen. Der Bericht über das graphologische Gutachten ist gekommen …«
»Und?«
»Warum fragst du, wenn du die Antwort schon weißt?«
Frank schüttelte den Kopf.
»Ich kenne die Antwort nicht im Detail, aber ich kann mir ungefähr denken, was du sagen wirst.«
98
»Ach ja, ich hätte beinahe vergessen, dass du beim FBI bist. Du hast blitzartige Eingebungen und verfügst über VIP-Automatenkarten. Die Nachricht war nicht von Hand geschrieben.«
»Nicht?«
»Nein. Dieser Hurensohn hat eine Schablone benutzt. Er hat die Buchstaben auf ein Stück Karton geklebt und dann ausgeschnitten.
Er hat es mitgebracht, auf den Tisch gelegt und ist dann mit dem Blut darüber gegangen. Woher wusstest du das?«
Frank schüttelte noch einmal den Kopf.
»Ich sag dir doch, ich habe es nicht gewusst. Aber es wäre mir komisch vorgekommen, wenn ein Mensch, der so wahnsinnig darauf geachtet hat, keine Spuren zu hinterlassen, einen so schweren Fehler begangen hätte.«
Hulot warf das Handtuch und schmiss mit angeekelter Miene seinen halb ausgetrunkenen Kaffee in den Abfallbehälter. Seufzend sah er auf die Uhr.
»Lass mich mal nach Hause gehen und nachsehen, ob meine Frau noch so aussieht wie früher. Wir haben zwei Wagen mit je zwei Beamten auf dem Parkplatz. Einer mehr, man kann ja nie wissen.
Die anderen Jungs sind auf ihren Posten. Wenn alle Stricke reißen, ich bin zu Hause.«
»Okay, wenn sich irgendetwas tut, rufe ich dich an.«
»Ich brauche dir wohl nicht zu sagen, wie froh ich bin, Frank, dass du heute Abend hier bist. Und ganz allgemein, dass du überhaupt dabei bist. Mach’s gut, Frank.«
»Mach’s gut, Nicolas. Grüß mir deine Frau.«
»Wird gemacht.«
Frank sah, wie sein Freund davonging, die Schultern unter der Jacke leicht gebeugt.
Seit drei Tagen, nachdem sie dem Intendanten die Erlaubnis dazu abgerungen hatten, überwachten sie Radio Monte Carlo in der Erwartung, dass irgendetwas passierte. Als sie bei Robert Bikjalo im Büro gemessen und ihm ihre Absichten erklärt hatten, hatte er sie aus halb zusammengekniffenen Augen angesehen, als müsse er sich gegen den bestialisch stinkenden Rauch schützen, der von der Zigarette zwischen seinen Fingern aufstieg. Er hatte über Hulots Worte nachgedacht und ein Flöckchen Asche von seinem Ralph-Lauren-Poloshirt geschnippt. Dann hatte er seine Augenschlitze, die ihn aussehen ließen wie ein Frettchen, wieder auf sie gerichtet.
»Also, Sie denken, der Mann könnte nochmal anrufen?«
99
»Wir sind nicht sicher. Das ist nur eine optimistische Vermutung.
Aber sollte er es tun, dann wäre es sehr wichtig für uns, dass Sie mit uns
Weitere Kostenlose Bücher