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Ich träume deutsch

Ich träume deutsch

Titel: Ich träume deutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nilgün Tasman
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doch, alles ist Kısmet“, sagte Annem. Aber Babaannes Laune wurde noch schlechter.
    „Kısmet! Schicksal ist für Menschen, die keine eigenen Entscheidungen treffen können“, sagte sie und löste meine Hand von ihrem Şalvar.
    „Babaanne, bist du denn gar nicht traurig, dass wir gehen?“, fragte ich.
    Sie sah mich schweigend an. Ihre Augenbrauen wurden wieder zu einem Strich, sie presste ihre Lippen zusammen und gab mir keine Antwort.
    Wir küssten die Hand von Babaanne, dann beugte sie sich herunter und gab uns einen Kuss auf die Stirn. Ihre Augen waren nass, aber die Tränen blieben wie immer in den tiefen Falten hängen.
    „Babaanne, ağlama, weine nicht, ich komme dich bald wieder besuchen“, flüsterte ich.
    „Bald kann sehr lange dauern, Yavrum“, sagte Babaanne und steckte mir einen Kandiszucker in den Mund.
    Plötzlich fand ich doch nicht alles so gut, was da passierte. Ablam und Annem waren sehr glücklich, aber Babaanne |121| freute sich überhaupt nicht, und ich wusste gar nichts mehr.
    Als der Bus losfuhr, stand Babaanne regungslos an der Haltestelle. Ich winkte ihr zu, bis ich sie nicht mehr sah.
    Ich durfte am Fenster sitzen, und Anne war zwischen Ablam und mir. Es waren kaum Menschen auf der Straße, weil es noch so früh war. Wir fuhren an den bunten Häusern von Alaca vorbei, und mein Herz klopfte wieder ganz laut und ganz schnell.
    „Yalcin! Ich habe Yalcin vergessen, Annem wir müssen zurück, ne olur Annem, bitte, bitte, wir müssen zurück, ich habe meinen Freund vergessen!“ Ich fing an zu weinen.
    „Kızım, beruhige dich. Wir können jetzt nicht mehr zurück“, sagte Annem.
    „Ich will nicht ohne Yalcin gehen, Annem, ne olur, bitte. Ich habe ihm versprochen, dass er mit uns nach Deutschland darf. Bitte, Annem.“
    „Psst, Kızım, alle schauen schon zu uns her. Sei jetzt ruhig. Wir können doch nicht wegen einem Verrückten unseren Flug verpassen.“
    „Yalcin ist nicht verrückt, er ist mein bester Freund“, flüsterte ich und drückte meine Puppe an mich.
    Anne wollte Yalcin nicht mitnehmen, und ich durfte mich nicht mal von ihm verabschieden. Mein armer Freund würde kommen und mich nicht finden. Er würde sich bestimmt vor die Tür setzen und jahrelang auf mich warten. Ich hoffte inständig, dass Babaanne ihn sähe und ihm sagen würde, dass ich bald wiederkäme.
    „Allahım, bitte sag Yalcin, dass ich ihn lieb habe und dass ich ihn, wenn ich groß bin, heiraten werde.“

|122|
Eine Brücke zwischen Deutschland und Babaanne
    Deutschland roch nach Brezeln, gegrillter Wurst und Parfum, die Türkei nach Zimt, Knoblauch und Fladenbrot. Und ich hätte am liebsten alles gehabt!
    Eine Brücke zwischen Deutschland und meiner Babaanne wäre so schön gewesen. Aber dafür war Deutschland viel zu weit weg.
    Babam stand mit Ali Amca im Flughafen. Als Mine ihn sah, rannte sie gleich zu ihm und fiel ihm um den Hals. Ich versteckte mich hinter meiner Anne.
    „Gel, Kızım, komm, hast du deinen Baba vergessen?“
    Er streckte seine Arme aus, aber meine Beine wollten nicht. Ich blieb stehen und sah ihn an. Eigentlich wusste ich immer noch nicht, ob das alles jetzt gut war oder nicht. Vielleicht würde ich ja aufwachen und alles war nur ein Traum gewesen? Vielleicht würde mein Freund Yalcin gleich an unserem Fenster klopfen und dann würden wir Amseln für das Mittagessen fangen.
    „Hadi, Kızım, geh zu deinem Baba. Los, geh schon“, sagte Anne und schubste mich in die Arme von Baba. Er drückte mich so fest an sich, dass ich fast keine Luft bekam.
    „Allahım,mein eigenes Kind kennt mich nicht mehr“, sagte Baba und drückte mir seine Nase in den Nacken. „Oh, ihr riecht nach Heimat“, sagte er und sah mich immer wieder an.
    Baba hatte ein anderes Auto gekauft, das er nach dem Urlaub auch nicht gleich wieder verkaufen musste. Es war ein wunderschöner roter Ford Granada und er sah fast so aus, wie das Brautauto bei Mahmut Ağas Hochzeit. Am Rückspiegel hing ein großer Maşallah-Anhänger als Schutz vor dem |123| bösen Blick. Auf der Ablage saß eine Barbiepuppe in einem gehäkelten roten Kleidchen, und neben der Puppe war ein brauner Hund, der ständig mit dem Kopf wackelte.
    „Anne, wo ist Tekir?“, wollte ich wissen.
    „Oh, meine Tochter hat ihre Zunge doch nicht in Alaca vergessen“, scherzte Babam.
    „Wo soll Tekir schon sein, Yavrum? Er wartet auf euch.“
    Auf meinen Kater freute ich mich am meisten.
    Ali Amca unterhielt sich mit Mine, und wenn er mich etwas

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