Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich
Straße beugten. Dann wieder erblickten wir sie, ganz klein, am anderen Ende des Dorfes. Es war ein bisschen wie in einem Trickfilm, und so verging die erste Stunde.
Das Problem bestand darin, dass meine Familie grundsätzlich niemals ein Hotel vorreservierte – sie wollte sich bezüglich der konkreten Ankunft einfach nicht festlegen. Dies allerdings war nicht unbedingt typisch griechisch, die übrigen Methanagäste hatten offenbar sehr wohl Vereinbarungen getroffen,deswegen waren bereits fast alle Fremdenzimmer besetzt. Außer den Bruchbuden, die keiner wollte.
Mama und Pappous inspizierten also eine freie Unterkunft nach der anderen und hofften, es könne wie durch ein Wunder doch noch eine akzeptable auftauchen. Nach der dritten Runde portokalada gab es immer noch kein Zimmer für uns. Schließlich erschien immerhin Papa an unserem Tisch, der in der Zwischenzeit sein Boot im benachbarten Fischerort Vathi aufgebaut und angetäut hatte; da durften wir Kinder endlich aufstehen und durch den Ort gehen.
Methana bestand hauptsächlich aus einer langen Uferstraße, die von Häusern und Restaurants gesäumt war – die Küchen lagen immer auf der Häuserseite, die Tische waren auf der anderen Straßenseite am Meer unter Planen aufgestellt. Am Ende des Dorfes war der Strand, der sich nun bereits leerte: Es war bald Mittag. Die Sonne stach, das Meer glitzerte vor unseren Augen, wir schwitzten – aber unsere Badesachen waren irgendwo in einem der Koffer.
Also lungerten wir vor dem periptero herum, dem Kiosk, der hier Aspirin, Tageszeitungen, Badelatschen, Souvenirs und Spielzeug anbot. Meinem Bruder hatte es eine Plastikmaschinenpistole mit Camouflagemuster angetan, ich schlich um die Strandsandalen herum: Es gab Flipflops – damals hießen sie in Griechenland sayonares – mit bunten Plastikmargeriten über dem Zehensteg. Endlich tauchten Pappous und Mama wieder auf, und unser Tross erklomm schmale, unbefahrbare Wege den Hügel hinauf bis zu einer kleinen Pension mit kargen Metallbetten und Bad im Gang. »Das Einzige, was noch zu kriegen war«, seufzte Mama, und fügte hinzu: »Und zu einem Preis wie in einem Luxushotel! Wie ich dieses Methana hasse!«
Es muss eine Hassliebe gewesen sein – in Deutschland hörte ich sie an dunklen Wintertagen oft sehnsuchtsvoll seufzen:»Ach, könnten wir jetzt in Methana sitzen und den Määr patschen hören« (patschen war Mamas Ausdruck für Meeresgeräusche). Kaum war sie aber da, beschwerte sie sich – über die Bewohner von Methana, die ihr besonders geldgierig und unfreundlich erschienen, die schmutzigen Toiletten in den Restaurants und Cafés (»Typisch! Die wollen nur kassieren, aber nichts tun!«) und die ewigen Wespen. Papa lästerte derweilen über die unzähligen alten Weiblein, die entlang der Hauptstraße Richtung Kurhaus schlichen und Autofahrer mit ihrer stoischen Langsamkeit ausbremsten. (»Diese Fußkranken!«, sagte er, was Mama und wir Kinder – aus Rücksicht auf Yiayia, die ja auch »fußkrank« war – nie übersetzten.)
Saßen wir dann aber endlich im Restaurant an einem Tisch in der frischen Brise, möglichst nah am Meer, begannen Mama und Papa endlich den Urlaub zu genießen. Da lehnten sie sich auf den Stühlen zurück – den typischen blauen Holzstühlen mit der bastumwickelten Sitzfläche – und atmeten tief durch. »So nah am Wasser zu essen – wo gibt es das noch!«, schwärmte Papa dann. »Herrlich, hörst du den Määr patschen?«, stimmte Mama ein, und Papa, der ihr Deutsch nie verbesserte, strahlte: »Und wie es patscht!«
Wir Kinder allerdings waren noch gar nicht in Urlaubsstimmung, im Gegenteil, wir waren stocksauer. Jetzt sollte es gleich Essen geben, dabei waren wir noch nicht ein einziges Mal im Wasser gewesen! Und nach dem Essen, das wussten wir, würden wir vier Stunden lang nicht baden dürfen, wegen der Verdauungszeit, die in Griechenland strengstens eingehalten
wurde, und wegen des Mittagsschlafes. Mein Bruder meckerte außerdem, weil niemand bereit war, sich mit ihm das Maschinengewehr im periptero anzusehen.
Papa tröstete uns, indem er uns erlaubte, schnell in Unterhosen vor der Taverne ins Wasser zu springen – und beruhigte die Großeltern, die fürchteten, wir könnten uns durch dienassen Hosen eine Blasenentzündung einhandeln: »Endaxi, Yiayia. Endaxi, Pappous.« Gegen ein endaxi , ein Okay von Papa hätten die beiden nie protestiert, das wäre unhöflich gewesen.
Pappous hatte derweilen die Bestellung in die Hand
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