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Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Bettermann
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Chemiewerke in der Drapezona, die ihre Abwässer damals ins Meer leiteten, so dass das Wasser aussah wie ein gigantisches Meeresfeuerwerk. Auf der Höhe unseres Hauses war es karminrot, wie der Staub, der sich in unserer avli auf der zum Trocknen aufgehängten Wäsche niederließ, wenn man sie an der Leine vergaß.
    Als das Meer blau wurde und die Felsen, die wir umfuhren, unbebaut waren und idyllisch aussahen, begannen wir uns zu langweilen und machten uns auf die Suche nach der Familie.
    Pappous stand ganz oben im Wind und übergab sich in eine mitgebrachte Tüte. Mama und Papa saßen mit geschlossenen Augen auf den Plastikstühlen auf dem unteren Deck der Fähre und sonnten sich. Yiayia hockte, umringt von einem Berg Gepäckstücke, im Inneren der Fähre und nuckelte portokalada , Orangenlimo, aus einer Flasche mit Strohhalm.
    »Riecht ihr das Meer?«, sagte Yiayia. »Und die pefka , Pinien?« Wir rochen nur die Abgase aus dem Schiffsschornstein, doch irgendwo, am nahen Ufer, mussten Pinienwälder sein, Yiayias feiner Geruchssinn trog sie nie – auch wenn wir hinter der mit weißen Salzkristallen besetzten Bullaugenscheibe nurkarge Felsformationen erkennen konnten. Stickig war es hier unten und fast so laut wie vorhin in der Autoschlange – alle Tische waren besetzt, an der kleinen Cafeteria hatten sich Schlangen von palavernden Reisenden gebildet. Yiayia war trotzdem bester Dinge; sie war voll in ihrem Element.
    Reisen waren Yiayias große Leidenschaft, Seereisen aber mochte sie besonders. Selbst, als sie schon blind war, unternahm sie mitunter alleine Schiffsreisen zu Erholungsorten: Weil sie alleine sonst nicht zurechtkam, zupfte sie dabei immer wieder Mitreisende am Ärmel, die dann ihr Gepäck tragen und die Yiayia zu einem sicheren Sitzplatz bringen mussten. (»Man muss sich zu helfen wissen.«) Seekrank wurde sie nie. Einmal, so will es die Familiensaga, ist sie sogar in einen bösen Sturm geraten, bei dem das Schiff – eines jener Seelenverkäufer, wie wir sie regelmäßig frequentierten – beinahe gesunken wäre. Der Seegang war so heftig, dass sogar Matrosen kotzend über der Reling hingen. Nur Yiayia sei es nicht übel geworden – sie versorgte Mitreisende und die Crew mit Taschentüchern, auf die sie ihr Limonen-Eau-de-Cologne träufelte, und erteilte gute Ratschläge: nur trockene Speisen – also Kekse und Brot – zu sich nehmen und so wenig wie möglich trinken. Deswegen bekamen wir an Bord auch grundsätzlich keine Limonade, sondern nur die Yiayia, der auf See nie schlecht wurde.

    Schließlich erreichte die Fähre Methana, das ohrenbetäubende Hupen und Fluchen erhob sich erneut, und wir wurden von den schwer beladenen Erwachsenen nach draußen bugsiert, an Land.
    Gepäck, Großmutter und Enkelkinder wurden alsdann in einem Café geparkt, und endlich bekamen auch wir portokalada , die wir sogleich gegen die Wespen verteidigen mussten: In Methana kamen auf jeden Bewohner oder Feriengast rund hundert dieser Insekten. Wahrscheinlich wurden sie vondem Geruch nach faulen Eiern angelockt, der über dem Ort waberte und seinen Ursprung im Kurzentrum am Ende des Dörfchens hatte, da, wo die alten Damen ihre Schwefelbäder zu genießen pflegten. Auf dem Weg dorthin allerdings ließen die Wespen sich von verlockenden anderen Düften ablenken. In den zacharoplastia, Konditoreien, gab es naturgemäß besonders viele davon, und so belagerten dort ganze Scharen der Insekten die verglasten Kühlfächer, in denen Kuchen – sirupgetränkte Baklava , Bougatses oder knallbunte Petit Fours – ausgebreitet lagen, und warteten auf ihre Chance, wenn die Kellner die Vitrinen öffneten.
    Man brachte die Flaschen immer verschlossen und ließ die Kronkorken erst am Tisch knallen, was die Wespen als Startsignal zum Formel-Eins-Rennen um unsere Köpfe missverstanden. Mein Bruder und ich reagierten panisch (es dauerte immer einige Zeit, bis wir uns an die summende Gefahr gewöhnt hatten), Yiayia aber blieb ruhig. Sie zückte den chinesischen Fächer, den sie in ihrer Tasche bereithielt, und wedelte damit über den Tisch, damit wir zu unseren Flaschen greifen und ganz schnell die Strohhalme hineinführen konnten.
    Währenddessen begaben sich Mama und Pappous auf Zimmersuche. Mal sahen wir sie aus einer Nebenstraße auf die Hauptstraße am Meer eilen und in die nächste einbiegen. Dann wieder tauchten sie in der entgegengesetzten Richtung auf. Plötzlich sichteten wir sie, wie sie sich aus dem Fenster eines Hauses an der

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