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Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Bettermann
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genommen, er orderte im Befehlston: »Bring Brot und Salat. Und Wasser, wir verdursten! Was gibt es für Ofengerichte? Was, kein Lamm? Na gut, dann Kokinisto, Rind in Tomatensauce. Aber vielleicht zur Vorspeise noch Marides , Fischchen, wenn sie fangfrisch sind. Und Gigantes , große Bohnen. Und Tiganites Patates , Pommes, für alle, und, und!!!«
    An allen Tischen schnauzten die Piräoten und Athener die Kellner so an. Die Restaurantbesitzer nahmen die Bestellungen mit einem Kopfnicken entgegen, beim Weggehen ließen sie dann Dampf ab: »Janniiiii, Wasser, Brot und eine Choriatiki , Bauernsalat, zu Nummer acht, grigora, min fas hastouki, schnell, sonst kriegst du eine Ohrfeige!!!« Das Gebrüll galt dem paidi, dem Kind, das im Restaurant arbeitete.
    In fast allen griechischen Lokalen waren zu jener Zeit Kinder – Jungs im Alter ab etwa zehn Jahren – beschäftigt (obwohl Kinderarbeit grundsätzlich natürlich verboten war). Das paidi war meist ein Sprössling der armen Verwandtschaft des Restaurantbesitzers, der aushalf. Seine Aufgabe war es, die Tische zu wischen, die schweren Tabletts mit den Speisen zu bringen, abzuräumen und überhaupt alles, was anstrengend war. Wie aufgezogen rannte das paidi von der Küche über die Straße zu den Tischen und zurück, so dass die Autos und die dreirädrigen Kleinlaster hupten. Der Lokalbesitzer durchmaß derweilen wichtigtuerisch die Reihen, trieb das paidi an – und kam erst wieder zum Kassieren an den Tisch.
    Trotzdem fand mein Bruder die Rolle des paidi ziemlich faszinierend. »Das sind doch auch noch Kinder wie wir!«, sagte er. »Und verdienen schon Geld!« Als die Teller leer gegessenvor uns standen und Trauben von Wespen sich darauf niederließen (in Griechenland wird immer erst abgeräumt, wenn die Gäste den Tisch verlassen), winkten Mama oder Yiayia immer das paidi an unseren Tisch und drückten ihm ein paar Münzen in die Hand – sie vertrauten nicht darauf, dass Onkel Tavernenbesitzer seinem armen Neffen je etwas vom Trinkgeld abgab.

    Am Tag nach der Ankunft machten wir endlich mit dem Baden ernst, davor wurden wir Kinder aber noch ausgestattet: Ich bekam die sayonares mit Margeriten, außerdem durften wir uns Sonnenhüte aussuchen, die wir den ganzen Tag auflassen sollten. Mein Bruder allerdings interessierte sich wenig für Schuhe und Hüte – er wollte das Maschinengewehr. Doch da biss er bei Eltern und Großeltern auf Granit. Nicht etwa, weil sie etwas gegen Kriegsspielzeug einzuwenden gehabt hätten – solch prinzipielle pädagogische Erwägungen waren ihnen fremd. Nein, sie sahen es einfach nicht ein, ausgerechnet hier in Methana ein überteuertes Urlaubsnepp-Maschinengewehr zu kaufen. »Jedes Jahr dasselbe!«, stöhnte Mama dazu nur. »Wisst ihr noch, der Tank?«
    Im Sommer davor hatte mein kleiner Bruder sich am Kiosk mit aller Kraft an einen Plastikpanzer (inklusive Bleierbsen zum Umnieten mitgelieferter Plastiksoldaten) geklammert und so lange geschrien, bis die Erwachsenen das Spielzeug kaufen mussten, um keinen Aufruhr zu verursachen. Jetzt war er für solch radikale Maßnahmen zu groß, wenngleich sich die Erwachsenen dessen offenbar nicht so ganz sicher waren – Pappous jedenfalls wirkte bereits etwas nervös: »Wenn du willst, dann kaufe ich dir in Piräus ein Maschinengewehr«, beschwichtigte er. »Eines, das viel größer ist und ratatatata macht. Das hier macht ja nicht mal ratatatata.«
    »Sag ihm, ich will kein Ratatatata. Ich will einfach nur dieses Maschinengewehr«, beschwor mich mein Bruder, der nicht sogut Griechisch konnte wie ich. Aber es half nichts: Er bekam nur Gummilatschen und eine Kappe.

    Dem Ort Methana vorgelagert gibt es eine kleine Insel, die durch eine Mole mit dem Festland verbunden ist. Rechts der Mole dümpeln Fischerboote, links davon liegt die »Plage«. So sagte man im frankophilen Griechenland gern zum Strand. Heute gibt es schicke Bastschirme, Liegestühle und feinen goldenen Sand an der Plage von Methana. Damals war da aber noch kein Sand, da waren nur faustgroße, dunkelrote runde Lavasteine, die in der Sonne enorm aufheizten, und ganz normale Sonnenschirme.
    Unter den Sonnenschirmen saßen die Omas auf Handtüchern. So wie unsere Yiayia. Im Gegensatz zu den anderen alten Damen, die in ihren Badeanzügen hier hockten und sich von den ärztlich verschriebenen Ertüchtigungsmaßnahmen erholten (vierzig Meeresbäder!), saß Yiayia bekleidet unter ihrem Schirm, fächerte sich mit ihrem Chinafächer Luft zu und

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