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Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Bettermann
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Stranddisko.
    Am Abend wurde die runde Tanzfläche von bunten Lichtern beleuchtet, in der Mitte der Decke blitzte eine Diskokugel, und alle, alle fanden sich ein:
    Es tanzten die Dorfjugend, junge, schicke Athenerinnen, alte Ehepaare, junge Verliebte und mittendrin ich – in einem Rudel anderer kleiner Mädchen, das gut die Hälfte der Tanzfläche einnahm. Es tanzten sogar Babys, auf den Armen der Mütter, und ein paar von den Omas. Nur mein Bruder nicht.
    Noch immer hatte er das Maschinengewehr nicht bekommen, die Sache wurde ihm langsam zur fixen Idee – er konnte an nichts anderes mehr denken. Mittlerweile war er richtiggehend sauer: »Nie kriege ich mein Gewehr! Darum mag ich euch alle nicht mehr!«, schimpfte er. »Jetzt bleibe ich ohne euch in Methana und werde paidi . Dann habe ich selbst Geld und kann mir endlich mein Maschinengewehr kaufen!« Plötzlich kamen Hand in Hand zwei kleine Mädchen auf ihn zu: »Koritzaki, Mädchen«, sagten sie. »Ela na chorevsoume, komm mit uns tanzen.« Da reichte es ihm endgültig, und er verzog sich alleine an einen Tisch und sprach den ganzen Abend mit niemandem mehr ein Wort.
    Der DJ – es war der Diskobesitzer persönlich – spielte griechische Popmusik, internationale Popmusik, alte Schlager, Rock’n’Roll, Engtanzschnulzen, und gegen Mitternacht, wenn die Stimmung besonders ausgelassen war, griechische Tänze. Da stemmten sich sogar alte Fischer, die bis dahin in den Ecken gesessen hatten mit dem komboloi zwischen den schwieligen Fingern, von ihren Stühlen hoch und reihten sich ein. Und die Dorfmachos in ihren engen schwarzen Hosen und aufgeknöpften weißen Hemden, die den Abend über die jungen Athenerinnen angebaggert hatten, führten die Schlange an und schrien »Ooopa! Ooopa!« Wie man das beim griechischen Tanz eben so macht.
    So ein kefi gibt es nirgends sonst auf der Welt, schwärmten Mama und Papa, wenn wir, lange nach Mitternacht, erschöpft nach Hause schlenderten. Ja, es gibt noch nicht einmal eine Übersetzung für das Wort »kefi« – am nächsten kommt ihm noch das Wort »Gaudi«, meinte Papa, der Bayer.

    Den größten Teil des Badeurlaubes verbrachte Papa allerdings nicht in Methana, sondern in dem Nachbardorf Vathi bei seinem Motorschlauchboot. Vathi bestand nur aus einer kleinen Mole und ein paar Fischerhäusern – das war mehr nach Papas Geschmack. Oft holte er Mama, meinen Bruder und mich zu Ausflügen ab, dann tuckerten wir mit dem Boot an menschenleere Sandstrände. Wir lernten schnorcheln und nach Muscheln tauchen, und Mama und Papa arbeiteten an der perfekten, streifenfreien Sonnenbräune. (Wir Kinder ließen die Hosen aber an, weil wir Nacktbaden peinlich fanden, selbst wenn’s keiner sah.)
    Regelmäßig fing Papa mit der Harpune Fische oder Oktopoden, die er uns am Strand am Feuer briet. Mama sammelte Seeigel mit uns, die sie und Papa aufbrachen und ausschlürften (wir Kinder probierten nur einmal – und spuckten das schleimige Innere gleich aus). Wir fühlten uns wie Familie Robinson und kehrten immer erst bei Sonnenuntergang in die Zivilisation zurück.
    Schließlich eröffnete ein Fischerehepaar – Dimitri und Chrissoula – in Vathi im Untergeschoss des eigenen Hauses eine kleine Taverne direkt am Meer und richtete im ersten Stock ein paar Fremdenzimmer ein. Papa wurde der erste Feriengast der beiden und zog fortan ganz hierher, wenn wir anderen in Methana waren. Allerdings besuchten wir uns ständig gegenseitig, und so kamen unsere Eltern beide auf ihre Kosten: Mama, die Trubel liebte und nur gelegentlich etwas Ruhe brauchte, und Papa, bei dem es genau andersherum war.
    Mein Bruder übernachtete oft bei Papa in dem kleinen Apartment in Vathi, ich blieb abends meist in Methana. Nur ein einziges Mal, viele Jahre später – da war ich bereits fast vierzehn –, beschloss ich, ebenfalls in Vathi zu schlafen, um am nächsten Morgen ganz früh mit den anderen beiden zum Angeln hinauszufahren. »Es wird dir bestimmt gut gefallen«, sagte Papa. »Abends ist es hier völlig still. Und Dimitri und Chrissoula sind sehr nett.«
    Das konnte ich nicht finden: An jenem Abend – mein Bruder war nach dem langen Tag schon erschöpft ins Bett gefallen – kümmerten Dimitri und Chrissoula sich nicht die Bohne um uns. Sie kamen nicht einmal, um die Bestellung aufzunehmen; am Stress konnte es nicht liegen, wir waren die einzigen Gäste.
    Endlich schlurfte Dimitri heran, mit einem seltsamen Grinsen im Gesicht. Dann, nach einer halben Ewigkeit,

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