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Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Bettermann
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freute sich: »Ah, thalassoula mou!« Thalassoula ist die Verzärtelung des Wortes thalassa , Meer, also sozusagen »Meerlein«.
    »Aber warum gehst du nie rein?«, fragten wir Kinder.
    »Ach nein«, antwortete Yiayia. »Ich genieße das Meer lieber von draußen. Zum Baden bin ich zu alt.« Sie sei auch früher nie baden gegangen, verriet Mama uns hinter vorgehaltener Hand. Wahrscheinlich konnte sie nicht schwimmen.
    Der Pappous allerdings war ein guter Schwimmer. Früher. »Euer Pappous ist geschwommen wie ein Fisch«, sagte Yiayia. Am Dreikönigstag, wenn die Popen mit Booten aufs Meer fahren und ein Kreuz ins Wasser werfen, sei er seinerzeit bei den jungen Männern, die danach tauchten, immer vorne dran gewesen. »Euer Pappous hat das Kreuz oft hochgeholt.« Wir sahen ihn allerdings immer nur bis zu den Waden im Seichten stehen, mit hochgekrempelten Anzughosen.
    »Pappous, warum gehst du denn nie schwimmen?«
    »Dafür bin ich schon zu alt«, meinte auch er. Dann krempelte er die Hosen wieder herunter, zog seine schwarzen Herrenschuhe an und verkrümelte sich Richtung Dorf. Stundenlang untätig am Strand herumhocken war seine Sache nicht. Warum die Großeltern allerdings nicht badeten, das habe ich nie herausgefunden – und niemand von der Verwandtschaft weiß es zu erklären.
    Wir schwammen und tauchten dafür besonders ausgiebig, es war die beste Methode, den Wespen zu entkommen. Ihr giftiges Summen war auch überall am Strand vernehmbar, angelockt wurden sie von psomi ke tiri , Käse und Brot, mit dem die übrigen Kinder in ihren Schwimmpausen gemästet wurden. Dementsprechend sahen die Kinder auch aus. Sie waren – auch wenn das nach heutigen Maßstäben nicht politisch korrekt klingt – fast ausnahmslos dick, ziemlich viele sogar derart übergewichtig, dass es nur so schwabbelte und sie sich kaum richtig bewegen konnten. »Gut, dass wir nicht für immer in Griechenland bleiben müssen«, sagte mein Bruder, der noch wegen des Maschinengewehrs verstimmt war. »Sonst würden wir so dick werden wie die anderen.«
    »Du vielleicht, ich sicher nicht!«, sagte ich. Ich aß immer noch so wenig von dem griechischen Essen, wie nur irgend möglich war.
    Papa mochte den überlaufenen Methana-Plage nicht, wohl aber das kleine Lokal am Ende des Strandes auf der kleinen Insel: Abends wurde es zur Freiluftdisko, tagsüber war es eine Strandbar: Hier setzte sich Yiayia an einen der runden Tische, wenn sie es nicht mehr in der Hitze unter den Schirmen aushielt, und gönnte sich einen baklava . Papa musste Ouzo trinken, uns Kindern zuliebe.
    Papa trank ganz gerne mal Ouzo, normalerweise aber nicht schon tagsüber. Der Ouzo in der Diskostrandbar wurdeallerdings stets mit einer Platte kleiner mezedes , Vorspeisen, serviert, auf die waren wir Kinder scharf – sogar ich: Es gab Mini- Keftedes , gefüllte Weinblätter, ein paar Oliven, Käse, alles luftig arrangiert und nicht so erschreckend üppig aufgetragen wie im Restaurant.
    Der Teller mit den mezedes leerte sich meist schneller, als Papa yia mas, Prost, sagen konnte, dann bettelten wir nach den nächsten mezedes , bis Papa dem Kellner ein Zeichen gab: »Alo ena , noch einen.« Nach ein paar Runden Ouzo war Papa so aufgekratzt, dass er plötzlich Griechisch konnte. Dann scherzte er mit der Yiayia über Mama, die immer noch in der Sonne lag und sich allmählich krebsrot färbte: »Maria ine treli, Maria ist verrückt!«
    » Uuh!«, machte Yiayia bekräftigend: »Apo mikri, das war sie schon von klein auf.«
    Am Abend nach dem Essen wurde flaniert, dazu mussten wir uns extra herausputzen. Mamas Haut leuchtete bereits kräftig rot zum Sommerkleid. »Keine Sorgen, morgen bin ich schwarz«, sagte sie auf Deutsch. Denn im Griechischen heißt Sonnenbräune mavrila – Schwärze.
    Wir reihten uns ein in die Schlange der übrigen Badegäste, die sich nun zwischen die fußkranken Weiblein mischten. Ich musste mich bei Yiayia unterhaken, die schimpfte auf den ungeduldigen Pappous, dem das Spazieren zu langsam ging: »Immer rennt er, dein Pappous, immer ist er hektisch. Aber ich kann nicht so rennen wie er.« Also tippelten wir mit ihr Schrittchen für Schrittchen den Asphaltboulevard entlang, vorbei an den vollen Tavernen mit den brüllenden Kellnern und den schuftenden Kindern, vorbei an den zacharoplastia , wo die Gäste die Wespen von den Kuchen schlugen, bis nach hinten zum Kurhaus – und wieder zurück zur Mole. Wenn wir genug flaniert hatten, war es endlich Zeit für die

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