Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich
erschien Chrissoula und knallte unfreundlich die Gläser auf den Tisch. » Simera no eat. Only Chicken apo to mesmeri, heute gibt’s nichts – nur noch Huhn vom Mittag«, sagte sie in ihrem für ausländische Touristen reservierten Kauderwelsch. Papa guckte verwundert drein. »Ochi Bifteki? Ochi Prisola, nein Bifteki? Nein Kotelett?«, fragte er, seinerseits in seinem Urlauberkauderwelsch.
»Ochi Bifteki! Ochi Prisola! Skara , Grill, kaputt!« antwortete sie.
Eine gute Stunde später (da war das Huhn vom Mittag endlich wieder warm), stellte sich heraus, welche Laus Chrissoula über die Leber gelaufen war – als sie die Teller auf den Tisch knallte, schimpfte sie im Weggehen: »In Methana drüben sitzt seine Frau, und hier holt er sich die gomena , Geliebte, ins Haus. Diese Männer!«
Sie wusste ja nicht, dass ich Griechisch verstand. Und sie dachte immer, Papa hätte nur ein Kind, meinen Bruder.Außerdem war ich mit vierzehn schon recht frühreif – im Licht der trüben Funzel überm Tisch sah ich älter aus.
Papa klärte die Sache auf, da lachte Chrissoula los, machte ftuftuftu und kniff mich in die Backe. Und Dimitri gab Ouzo aus. Ich durfte zum ersten Mal mittrinken (einen Fingerbreit, mit sehr viel Wasser, das den Anisschnaps milchig verfärbte). Schließlich war ich für eine Erwachsene gehalten worden – ein Grund zum Feiern, fand ich.
Es lag ein wenig Wehmut in der Luft an jenem Abend, als hätten wir geahnt, dass wir zum letzten Mal alle gemeinsam Urlaub in Methana (und Vathi) machen würden. Die Großeltern waren jetzt sehr alt, bald würden sie wohl nicht mehr reisen können. Und ich war fast erwachsen … Plötzlich schwelgten wir in Erinnerungen an all die Jahre, die wir hier verbracht hatten: »Weißt du noch, wie dein Bruder schwimmen gelernt hat?« Da war er drei und hatte Angst vor dem Wasser. Er schrie wie am Spieß, wenn Mama ihn hineintrug. Er schrie aber auch, wenn sie ihn wieder an den Strand brachte. Er war zwischen Schrecken und Faszination total hin- und hergerissen.
Oder: »Weißt du noch, wie ich meinen ersten Fisch gefangen habe?« Ich hatte die Angel an der Mole in Methana ins Wasser gehängt und gesagt: »Jetzt zähle ich bis fünfzig, dann ziehe ich die Schnur raus und schaue nach, ob einer angebissen hat.« Da hing dann tatsächlich ein Fischchen dran!
Und wir lachten darüber, dass mein Bruder, nun elf Jahre alt, immer noch bei jedem Streit drohte: »Dann gehe ich eben nach Methana und werde paidi!«
»Eines aber ist erstaunlich – in all den Jahren ist nie jemand von uns hier von einer Wespe gestochen worden«, sagte Papa.
»Das stimmt doch gar nicht! Ich bin gestochen worden.« Mein Vater konnte sich nicht daran erinnern, aber ich werde es nie vergessen:
Papa befand sich schon eingekeilt mit dem Wagen auf der Fähre zurück nach Piräus, wir aber standen noch draußen, mit all unserem Gepäck und der blinden Oma – nur vom Pappous war wieder einmal nichts zu sehen.
»Wir müssen endlich einsteigen, sonst fährt das Schiff ohne uns ab«, sagte Mama. »Der Pappous wird’s schon noch im letzten Moment schaffen.« Yiayia aber wollte nicht riskieren, dass ihr Mann allein zurückblieb. Und so warteten wir unruhig in der prallen Sonne.
Dann sahen wir ihn, ganz hinten am periptero , ganz klein, er lief auf uns zu und schwenkte einen langen Gegenstand über seinem Kopf: Das Plastikmaschinengewehr! Er sah aus wie ein alter Partisan (aber das ist mir heute erst klar).
Mein Bruder stimmte ein Freudengeschrei an, ich aber schrie noch viel lauter. Denn just in diesem Moment stach mich eine Wespe, die sich unterm Kleid in meinem Sommerhöschen verheddert hatte, in den Po! Ich schrie und schrie, als Mama mich an Bord zerrte, und dort kreischte ich noch lange weiter. Bis Methana nicht mehr in Sicht war.
Yiayia in Monacho
I hr ganzes Leben lang waren Yiayia und Pappous nie länger als ein paar Tage voneinander getrennt gewesen – außer wenn Yiayia zur Kur ging, und auch dann besuchte der Großvater sie an den Wochenenden. Als Mama der Yiayia aber eines Tages am Telefon vorjammerte, wie schlecht die Kindermädchen in Deutschland seien und wie schwer es wäre, jemand wirklich Nettes zu finden, packte Yiayia ihre Koffer und reiste zu uns. Sie blieb zwei Jahre.
Mama hatte als angehende Opernsängerin viel zu tun – mehrmals wöchentlich besuchte sie ihre Gesangslehrerin, sie hatte Schauspielunterricht, sie übte in Begleitung ihres Korrepetitors und bereitete sich aufs Vorsingen
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