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Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Bettermann
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Krebsmutter im Stich gelassen werden, oder den Schlager Maria me ta kitrina. Da ging es um eine schöne, gelb gekleidete Maria, die sich nicht zwischen ihrem Mann und dem Nachbarn entscheiden konnte. Unser Lieblingslied aber war Trelokoritzo – Verrücktes Mädchen. Das war die griechische Version eines US-Hits ( Simon Says der 60er-Jahre-Band 1910 Fruitgum Company ), aber das wussten wir natürlich nicht. Wir tanzten mit viel Pogewackel und schmetterten Trellokorizoooh, tatataaah! und hielten uns selbst für verrückte Mädchen.
    In dem Haus, in dem Anna mit ihren Eltern wohnte, lebten im Untergeschoss auch Annas Großeltern und ihre unverheiratete Tante Youla. Die Attraktion des Hauses war der Hühnerstall: Obwohl es mitten in der Stadt stand – es war ein sehr schönes, weitläufiges Stadthaus mit Marmortreppen und dunklem Parkett –, hielten Annas Großeltern ihre eigenen Hühner in einem Gitterverschlag auf dem Dach. Wir liebten den Hühnerstall. Stundenlang spielten wir auf dem Dach Bäuerinnen. Wir standen zwischen den weißen Hennen im Dreck, schrien »puttputtputt« und warfen Körner. Die Hühner ignorierten uns – sie waren schon in aller Frühe von Annas Großvater gefüttert worden –, doch darum ging es uns nicht so sehr. Manchmal halfen wir Annas Yiayia, die Eier einzusammeln. Zum Frühstück gab es in Annas Haus frisch gelegte weich gekochte Eier.
    Die zweite Attraktion war das Meer – wir mussten nur unsere Bikinis und unsere Gummisandalen anziehen, über den Bauch stülpten wir aufblasbare Schwimmringe. Tante Youla nahm uns an den Händen, und es ging los, über die Straße, die Steilküste hinunter direkt ins Wasser.
    Wenn Tante Youla bald darauf nach uns rief – es gab, natürlich, psomi ke tiri –, machte Anna einfach nur » tu « undpaddelte mit den Ärmchen, damit ihr Schwimmring sich drehte und sie die Tante im Rücken hatte.
    »Tu« ist eine griechische Verneinung: Man wirft dabei den Kopf nach hinten und schnalzt mit der Zunge am Gaumen. Bei Anna war es eine Geste, die keinen Widerspruch duldete: »Tu« war Annas letztes Wort auf Forderungen oder Bitten der Erwachsenen, denen sie keinesfalls nachkommen wollte. Mit den Jahren wurde Annas »Tu« immer bestimmter und der Augenaufschlag dabei gelangweilter und genervter.
    Emanzipation war damals bereits unser ganzer Lebensinhalt – auch als wir von dem Wort noch nie etwas gehört hatten. Uns ging es dabei weniger um die Befreiung aus der Frauenrolle als um die von der Elternmacht. Die Erwachsenen nervten, wir sahen gar nicht ein, dass sie uns herumkommandieren durften – das war unser Lieblingsthema, als wir ein wenig älter waren. Wenn wir mit der Familie bei Yiayia saßen, hockten wir immer nebeneinander und tuschelten die ganze Zeit hinter vorgehaltenen Händen über die Großen: »Gleich fängt der Pappous wieder mit den Türkenkriegen an, ich kann es schon nicht mehr hören«, lästerte etwa Anna.
    »Vorher zwingt er uns aber noch, Feigen zu essen, wart’s ab«, flüsterte ich zurück.
    » The mou , mein Gott, ja!«, sagte Anna. »Und heute ist Tante Meri nicht da, um uns davor zu retten!«
    »Aber die isst die Feigen ja auch nur, um sich beliebt zu machen«, sagte ich.
    » Akrivos , genau!«, kicherte Anna.
    »Annoula«, sagte Tante Matina dann. »Leg dir dein Jäckchen über die Schultern, du sitzt im Zug.«
    »Tu« , machte Anna.
    »Annoula, sofort, du wirst sonst krank!«, sagte Matina, die in Wahrheit – ich wusste das, denn ich war ja oft bei Anna imHaus – keineswegs so liberal erzog, wie sie immer behauptete. Trotzdem biss sie bei Anna meist auf Granit.
    » Tu!!! «, machte Anna und kniff die Augen zu Schlitzen zusammen.
    »Jäckchen, bourdes , Quatsch! Sie hat doch selbst kein Jäckchen an!«, wisperte sie dann.
    »Die glauben, sie können uns wie Babys behandeln, aber da haben sie sich geirrt«, raunte ich zurück.
    »Akrivos!« , sagte Anna.

    »Was tuscheln sie denn nun wieder«, fragte Mama dann manchmal.
    »Die reden über uns, merkst du das nicht?«, antwortete Michalis amüsiert und lächelte sein breites Zahnlückenlächeln. Dann kniff er uns in die Wangen: »Re psaria!«, sagte er, was so viel wie »Na, ihr Fische!« heißen sollte und seine ganz spezielle Koseform für uns beide war. »Wenn ihr wollt, machen wir drei morgen einen Ausflug! Gleich in der Früh, wenn es noch nicht so heiß ist.«
    Ausflüge mit Michalis bedeuteten immer: Besichtigungen. Wir hatten sicherlich ausnahmslos alle Ausgrabungsstätten

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