Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich
Griechenland, wie ich fand. Es gab sogar Familien, in denen die Mädchen ihre Brüder bedienen mussten. Ich hatte es mit eigenen Augen gesehen, bei Freunden von Mama, wo der vierzehnjährige Kostakis von seiner zwölfjährigen Schwester forderte: »Sophia, bring mir eine Cola aus der Küche.« Anna hatte kummervoll und wissend zu meinem Bericht genickt. »Diese Dinge müssen sich ändern! Wir Frauen dürfen uns das nicht mehr bieten lassen«, hatte sie gesagt, mit einer Verve, als spräche sie nicht nur zu mir, sondern vor einem Publikum von tausenden ihr zujubelnden Geschlechtsgenossinnen.
Komisch nur, dass Frauen noch nicht auf die Idee gekommen waren, sich in den Kafenia breitzumachen. Doch nun kamen wir, entschlossen bis zum Äußersten, um uns Zugang zu verschaffen – selbst wenn wir dazu aufs Herrenklo mussten.
»Aber vielleicht müssen wir gar nicht. Wir könnten doch einfach sagen, wir wollen ein Glas Wasser«, sagte ich.
»Gute Idee!«, meinte Anna. »Ein Glas Wasser werden sie uns nicht verweigern können. Bei dieser Hitze!«
»Und wenn doch?! Wenn sie uns einfach rauswerfen?«, gab ich zu bedenken.
»Plaka tha’che, wäre doch witzig!«, meinte Anna unternehmungslustig und ließ ihre Haare wieder herunter. Letztlich war es genau das, was wir wollten: einen Skandal!
Also klackerten wir weiter Richtung Kafenion, ich auf meinen ziemlich hohen, Anna auf ihren ein bisschen hohen Sandalen (Tante Matina als Ärztin hielt nichts von Absätzen für Mädchen, deren Körper noch im Wachstum begriffen war). Klackerten, entschlossen unsere Handtäschchen schwingend, erhobenen Hauptes die zwei Stufen hoch und mitten hinein ins Kafenion.
Irgendwie hatte ich geheimnisvolle Dunkelheit erwartet, laute Musik und unzählige Männer, die uns den Eintritt verweigern würden und denen wir frech ins Gesicht lachen könnten. Stattdessen standen wir in einem fast leeren Raum, dessen grelles Neonlicht preisgab, dass das Lokal schon bessere Zeiten gesehen hatte: Ein paar der Kacheln auf dem Boden waren bereits zerbrochen, die Bilder an den Wänden – fotografierte Inselszenen – so ausgeblichen, dass sie kaum zu erkennen waren. Fliegen schwirrten durch die Luft und ließen sich an den klebrigen Tischen nieder. Die einzigen Gäste, zwei alte Herren, spielten tavli , Backgammon. Sie blickten nicht einmal auf.
Am Tresen stand ein ebenfalls ziemlich alter Mann und blätterte in einer Tageszeitung.
»Könnten Sie uns Wasser geben? Wir sind am Verdursten!«, sagte Anna, und ihre Stimme hallte in dem hohen Raum.
Der Alte drehte sich umstandslos zum Gläserregal um, holte dann eine eisklirrende Wasserkaraffe aus dem Kühlschrank, füllte die Gläser und stellte sie uns auf den Tresen: »Oriste, koritzia, bitteschön, Mädels.« Dann blätterte er weiter in der Zeitung. Wir tranken stumm, in großen Schlucken.
»Alo ena nero, parakalo, noch ein Wasser, bitte«, forderte ich.
Der Alte holte wieder die Karaffe, schenkte nach. Wir tranken. Die Greise in der Ecke spielten tavli .
» Efcharisto, danke«, sagte Anna schließlich. Wir drehten uns um und trabten wieder hinaus, die Straße entlang, zu Yiayias Haus. Jetzt war es dunkel. Annas Gesicht war im Schatten ihrer Locken nicht zu erkennen. Wir sprachen kein Wort. Die Sandalen klackerten.
Der Lachanfall kam wie eine Tsunamiwelle aus meinem Bauch, zuerst war es nur ein Kichern, dann ein Prusten, dannbrach es auch aus Anna heraus, schließlich brüllten wir vor Lachen und hielten uns die Bäuche.
»Immerhin waren wir drinnen«, sagte Anna schließlich und wischte sich die Augen. »Wir waren sicher die allerersten Frauen, die je einen Fuß in dieses Kafenion gesetzt haben.«
»Und wahrscheinlich auch die letzten«, sagte ich.
»Ja«, sagte Anna, und brachte den restlichen Satz fast nicht mehr zu Ende, weil sie schon wieder von Lachkrämpfen geschüttelt wurde: »Ja, weil: Welche vernünftige Frau will schon freiwillig ihre Zeit in diesem armseligen Kafenion verbringen!«
Zu Hause bei Yiayia beim Abendessen mussten wir uns nur ansehen, schon prusteten wir wieder los. »Worüber lacht ihr Mädchen denn?«, fragte Mama.
»Du glaubst doch nicht im Ernst, dass sie dir das verraten werden«, sagte Tante Matina, und sie hatte Recht – das taten wir grundsätzlich nie.
Damals waren Anna und ich bereits ein ziemlich gut eingespieltes Team, unsere Freundschaft dauerte ja schon dreizehn lange Jahre an – hatte sie doch bereits ein paar Tage nach Annas Geburt begonnen.
Es war bei
Weitere Kostenlose Bücher