Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich
übersprungen, und natürlich war ihr Abschluss sensationell.
Sie saß, die blassen Beine hochgelegt, auf der Veranda schräg gegenüber von Onkel Lefteris und blätterte in einer Zeitschrift.
»Kennt ihr schon Kiki?«, fragte Stelios. Kiki beugte sich, deutlich gelangweilt, zu mir und gab mir Küsschen auf beide Wangen – das war so üblich, auch zwischen Fremden. »Ti kanis, koritzaki, w ie geht’s, Mädchen?«, fragte sie schläfrig mit einer babyhaften Piepsstimme. Koritzaki! Das sagte man zu Kleinkindern.
»Das ist also Superhirn!«, prustete mein Bruder später heraus und sprach den ganzen Abend nur noch mit Piepsstimme. »Wie heißt sie, Kiki? Oder Piepsi?« Und wir schütteten uns aus vor Lachen.
Am nächsten Morgen – es war unser letzter in der Sommerfrische – hatte ich ein Kärtchen mit meiner Münchner Adresse in der Badetasche, denn Adonis hatte einmal erwähnt, dass er vielleicht im Winter Deutschland bereisen wollte. Wie immer sah ich ihn schon von weitem auf seinem angestammten Platzsitzen. Ganz nah bei ihm aber war eine fremde Bastmatte ausgerollt, darauf lag ein blasses Mädchen: Piepsi.
Sie sprachen von Liverpool, wo sie studiert hatte, und von der Schule in Athen, die sie beide besucht hatten, und erst nach einer Ewigkeit bemerkten sie mich.
»Na tin xadelfoula tou Steliou, da ist ja Stelios’ Cousinchen« sagte Adonis, und plötzlich fand ich den Singsang in seiner Stimme affektiert und albern. »Kalimera, koritzaki«, sagte Kiki.
Abends hinter dem Haus von Meri und Giorgos, als ich in der Tasche nach meinen Zigaretten kramte, fiel mir das Kärtchen wieder in die Hand. Es landete, in pubertärem Pathos zerrissen, in dem Loch, in dem ich immer die Kippen vergrub.
Schnitzel mit Feta
T ante Meri trug ihren Nerz über den Schultern, es war schließlich erst Ende April. Papa ließ ihre beiden Koffer im Gang fallen und machte ein Gesicht, als wären sie mit Steinen gefüllt gewesen (tatsächlich waren Geschenke darin – keine Griechin würde je verreisen, ohne die Gastfamilie mit Präsenten zu überhäufen, die den Weihnachtsmann hätten blass aussehen lassen). Dann ergoss sich die Begrüßung mit unzähligen fuchsiafarbenen Küsschen und saftigen Ftuftuftus über uns, und schließlich schritten wir zur Wohnungsführung voran. Sie startete – wie stets, wenn sich griechischer Besuch angemeldet hatte – bei der größten Attraktion: der Aussicht vom Balkon.
Meri trat mit ungläubigen Augen nach draußen und gab Begeisterungslaute von sich: »Popopo!« (Was übersetzbar ist mit »Wahnsinn« oder »großartig«.) Dann schwieg sie andächtig, atmete tief ein und ließ den Blick über die Grünanlage schweifen – die haushohen Pappeln und Birken, die sich im Wind wiegten, die üppigen Sträucher bei den Spielplätzen, die sattgrün leuchtenden Wiesen mit den Gänseblümchen und himmelblauen Gewitterblumen.
»Schöner als Edem, Eden!«, seufzte sie dann. Gemeint war allerdings nicht der Garten Eden – jedenfalls nicht der im Himmel –, sondern der gleichnamige grüne Villenvorort Athens, wo emsige Gärtner die Anlagen der Reichen pflegen und unablässig die Wassersprenkler tuckern. Üppiges Grün assoziieren Griechen mit Wohlstand – auch wenn sieeigentlich wissen, dass die im Süden teuren Bewässerungsmaßnahmen bei uns vom Gratisregen erledigt werden. Trotzdem waren sie immer aufs Neue beeindruckt. »Maria, du wohnst ja im Paradies!«
Als meine Tante sich schließlich umdrehte, um unsere Wohnung genauer in Augenschein zu nehmen, wich die Begeisterung plötzlicher Ernüchterung, und Meri musste mit den Worten ringen und sich mehrmals räuspern, bis sie schließlich ein halbwegs anerkennendes »Sehr modern!« herausbrachte. Wir kannten auch heftigere Reaktionen, wie die von Mamas Cousine Eleni: »Eure Wohnung ist ja ganz leer!« Denn es gab bei uns keine Statuetten und Standuhren, keine Deckchen, Vasen und Figürchen, also keinerlei Nippes, wie Griechen ihn lieben. Meine Eltern favorisierten einen schlichten Einrichtungsstil: ein Sofa, reduzierte weiße Regale, ein zweckmäßiger Holztisch und kahle, dänische Designerstühle (ohne Kissen), dazu ein paar grafische Drucke an den Wänden – das war unsere ganze Einrichtung. Auf die Besucher aus dem Süden wirkte unser Stil, als wären wir gerade erst eingezogen.
In den Siebzigerjahren schafften sich meine Eltern zudem riesige griechische Flokatiteppiche an, die sie in der ganzen Wohnung auslegten, doch auf diese Behaglichkeit
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