Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich
die Hundehaltung erst einige Jahrzehnte später in Mode), trat er außerdem permanent in große, hässliche Hundehaufen, so dass die Vermieterin wieder fluchte. Kurz: Mein Onkel fühlte sich alles andere als wohl in Deutschland.
Dann verreisten Mamas Wirtsleute übers Wochenende und beauftragten sie, in der Zwischenzeit ihren Hund zu versorgen. Es handelte sich um eine Spanieldame von so edlem Geblüt, dass sie auf Hundeausstellungen vorgeführt werden sollte. Und sie war läufig. Irgendwann einmal sollte sie von einem standesgleichen Rüden gedeckt und die Nachkommenschaft teuer verkauft werden. Doch keinesfalls durften hergelaufene Köter das edle Tier bespringen – sollte Bella (so hieß die Hundedame) von einem beliebigen Dackel oder Schäferhund aus der Nachbarschaft trächtig werden, dann hätte sie ihren Wert verloren, und die Besitzer hätten sie einschläfern lassen. »Darum, Maria: Passen Sie gut auf Bella auf!«, instruierten die Wirtsleute meine Mutter.
Mama hatte Angst vor Hunden, sogar vor der gutmütigen Bella. Für sie war es schon ein Problem, dem Tier das Halsband anzulegen. Wenn sie es endlich geschafft hatte und mit dem Hund Gassi ging, wurde Bella von einer Schar Verehrern verfolgt, Dackeln und Terriern, Schäferhunden und einem alten grauen Pudel. Der feurigste Freier aber war ein riesiger schwarzer Mischling, der der jungen Bella den ganzen Tag an der Haustür auflauerte. In ihrer Not bat Mama ihren Bruder, ihr beim Gassi führen zu helfen.
Michalis schaffte es, die fremden Hunde mit lauten Rufen (und ein paar kleinen geschleuderten Steinen) zu verscheuchen, und irgendwann erreichten Mama und er unbehelligt den Lebensmittelladen in der Nachbarschaft. »Soll ich draußen mit dem Hund Wache halten?«, fragte Michalis, doch die Luft schien rein, also entschieden die beiden, die Hündin einfach nur anzuleinen.
Als sie das Geschäft wieder verließen, war Bella nicht mehr allein: Der Schwarze war auch da und machte sich bereits in eindeutiger Position an ihr zu schaffen.
»Um Gottes willen, was sollen wir jetzt tun?!«, schrie Mama. »Wenn sie schwanger wird, bringen sie sie um!« Das wollten mein Onkel und meine Mutter auf keinen Fall. Außerdem wollte Mama sich des Vertrauens der Wirtsleute ja nicht als unwürdig erweisen.
Also zerrte Mama an Bella, die plötzlich gar nicht mehr gutmütig war und ärgerlich knurrte, und der Onkel zerrte an dem Schwarzen, der ausgesprochen ungemütlich wurde und Michalis in den Arm biss, so dass dieser den Rest des Tages in der Krankenhausambulanz verbrachte. Da endlich hatte er definitiv keine Lust mehr, weiterhin in Deutschland zu bleiben.
Diese Entscheidung stand schon fest, als Michalis eines Tages im Postamt in der Schlange stand, vor ihm eine deutsche Familie, bestehend aus Vater, Mutter, Kind und Pudel. Der Pudel trug ein gehäkeltes Hundekleidchen gegen die Kälte, schon der Anblick machte Michalis, der fand, dass Hunde in Deutschland besser behandelt wurden als Menschen (und insbesondere als junge Ausländer, die sich ihr Studium finanzieren wollten), aggressiv. Plötzlich leckte der Pudel dem kleinen Jungen auch noch die Wange ab, »mit seiner bakterienverseuchten Zunge, mit der er anderen Hunden am Po rumschleckt!«, erzählte Michalis immer und schüttelte sich dabei. Die Eltern des Jungen lächelten nur dazu und hatten gar nichts dagegen. Da entlud sich die ganze Wut meines Onkels auf die Deutschen im Allgemeinen und ihre Hunde im Speziellen gegen den Pudel, und in einem unbeobachteten Augenblick trat er nach dem Tier.
Einer hatte den Vorgang aber doch bemerkt: der kleine Junge. »Nie werde ich seinen Gesichtsausdruck vergessen«,erzählte uns Onkel Michalis und lachte noch Jahrzehnte später darüber. »Er war so baff, dass er keinen Laut herausbrachte. Dass jemand einen Hund tritt, hatte er noch nie erlebt! Hunde sind ja die Könige in Deutschland«, meinte der Onkel. Bis heute freut er sich darüber, sich dem hundeverehrenden System widersetzt zu haben.
Mittlerweile hatte Michalis sich allerdings mit Deutschland ausgesöhnt, er fand, dass die Deutschen viel lockerer geworden seien. »Die Generation von damals – die gibt es nicht mehr, zum Glück!«, sagte er. »Die Deutschen früher waren ein kaltes, verklemmtes Volk. Keine Lebensfreude!« Die modernen Deutschen, findet mein Onkel, sind orei anthropi , tolle Leute, sie wissen ihr Leben zu genießen. Zu verdanken hätten sie dies, nicht zuletzt, ihren südländischen Nachbarn: »Sie sind
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