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Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Bettermann
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nach Italien gereist, nach Spanien und Griechenland, und da haben sie gesehen, dass das Leben nicht nur aus Arbeit besteht. Sie haben die südländische Mentalität kennen gelernt und gesehen, wie die Südländer feiern und genießen können. Und dann haben sie diese Lebenseinstellung importiert. Das zeugt doch von Offenheit!« Und das Beste wäre: Ihren Fleiß und ihre Ordnungsliebe hätten sie sich dennoch bewahrt. Deshalb erschien Deutschland meinem Onkel geradezu als das ideale Land.
    Dort, wo es am deutschesten war, gefiel es ihm naturgemäß am besten, das war wohl der Exotikeffekt. Wenn wir bei einem Spaziergang an einem Häuschen mit Gartenzwergen und akkuraten Blumenrabatten vorbeikamen, blieb Michalis fasziniert stehen: »Seht euch das an! Mit welcher Liebe und Ordnung die Leute hier ihren kleinen Garten pflegen! Kein Grashalm ist länger als der andere. Und die Terrasse sieht aus, als würde sie dreimal am Tag gefegt. Nikokirei anthropi, ordentliche Leute, diese Deutschen!«
    »Aber Onkel, das ist doch total spießig hier«, erwiderten dann mein Bruder und ich, aber da schüttelte er den Kopf:»Was soll denn daran schlecht sein, wenn jemand seinen Garten pflegt?! Und seht nur die lustigen Figuren. Typisch deutsch!« Er meinte die Zwerge. »Bevor wir abfahren, müsst ihr mich in ein Geschäft bringen, wo wir solche Figuren kaufen können.«
    Einkaufen war tatsächlich die Hauptbeschäftigung der griechischen Besucher und insbesondere der Besucherinnen, und das bereits lange, bevor sich die Tätigkeit »Shopping« als internationales Hobby etabliert hatte. Schon in den Morgenstunden zog beispielsweise Meri mit Mama in die Innenstadt, um dann erst am Abend mit prall gefüllten Plastiktüten und schmerzenden Füßen nach Hause zurückzukehren. Gleich am nächsten Tag marschierten sie wieder in aller Frühe los. »Es ist, als gäbe es in Athen keine Geschäfte«, amüsierte sich Papa, der die weiblichen Beweggründe nicht ganz nachvollziehen konnte. Denn natürlich gab es in Athen Geschäfte, sowohl teure als auch billige. Der Reiz bestand darin, etwas zu erwerben, was in Athen keiner hatte.
    Nicht nur in Bezug auf die Einrichtung ist das Repräsentieren in Griechenland fast noch wichtiger als hierzulande: Markenkleidung ist in Griechenland geradezu ein Muss. Zudem gilt alles als besonders schick, was aus dem Ausland kommt; allein schon die Bemerkung: »Ach, dieses Kleid? Das habe ich in Monacho gekauft!« kommt gut an (wenn auch vielleicht nicht ganz so gut, wie wenn es Londino, Parissi oder Nea Yorki – London, Paris, New York – gewesen wäre. Aber immerhin).
    Außerdem konnten Meri und all die anderen Tanten – Mamas Cousinen, alte Schulfreundinnen, die Schwägerinnen und die Töchter der Nachbarinnen aus der Drapezona in Piräus und wer auch immer uns besuchte – bei uns ungeniert an den Grabbeltischen in der reduzierten Ware wühlen und bei den Sonderangeboten in Billigkaufhäusern zuschlagen. Es sah ja keiner, außer den Deutschen natürlich. »In Athenmöchte ich mich nicht mit einem griechischen Sonderangebot am Leib blicken lassen«, sagte Tante Meri, »denn das trägt dann vielleicht auch meine Putzfrau.« Das wäre natürlich gar nicht gegangen. Bei deutscher Kaufhausware konnte das kaum passieren, und deswegen verbrachten die Tanten ganze Tage bei Seh un Aaah, wo sie sich mit allem Erdenklichen – von der Kittelschürze bis zum Abendkleid – eindeckten.
    Wenn sie alles Nötige für sich erworben hatten, zogen sie wieder los, um Geschenke für Daheimgebliebene zu kaufen. Es wäre undenkbar gewesen, den Großeltern, den Eltern und den Schwiegereltern, den Geschwistern, den Cousinen, den Neffen und Nichten und den besten Freundinnen nichts mitzubringen. So artete das Shoppen in Deutschland zur harten Arbeit aus, und diejenigen, die nicht mit dem Wagen gekommen waren, zahlten am Flughafen wegen Übergepäcks locker doppelt so viel, wie sie durch die Schnäppchenware eingespart hatten.
    Mittags führte Mama die Besucher immer in der Innenstadt zum Essen aus, abends aber kochte sie selbst – natürlich nur deutsch, wie sie es gewohnt war. All unsere griechischen Verwandten mochten die deutsche Küche. Je herzhafter, desto beliebter waren die Speisen. Bei dem Wort »Wurste« bekamen sie glänzende Augen, »Sssweinebraten« ließ sie strahlen, von »Knoddeln« (Knödeln) waren sie begeistert. Mama schmorte außerdem Rindsrouladen, sie briet Kartoffeln, sie füllte große Teller mit Cordon bleu und

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