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Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Bettermann
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Runde zusammen – Onkel Michalis und Tante Matina mit Anna undAlexis waren oft dabei und noch viele andere Freunde und Verwandte, und auch aus der Nachbarschaft gesellten sich viele dazu.
    Besonders beeindruckt waren mein Bruder und ich von Tante Meris Freundin und Etagennachbarin aus Athen, Effi – mein Bruder konnte nicht aufhören, sie anzustarren: »Die sieht aus wie die Saloonbesitzerin bei Bonanza!«
    Effi war üppig gebaut und trug das rotblonde Haar in einer aufgetürmten Hochfrisur. Ihr Gesicht wirkte wie einbetoniert in beigefarbenes Make-up, die Lippen waren grellrot geschminkt, das fleischige Doppelkinn zierte eine große braune Warze. Darunter baumelten reihenweise Perlenketten, und in der Hand hielt sie eine unablässig qualmende Zigarettenspitze. Der Dauerrauch hatte bereits ihre Stimme moduliert: Sie klang tief und heiser wie die eines alten Mannes.
    Effi bewegte sich langsam die Verandatreppe nach oben und ließ sich auf einen Klappstuhl fallen. »Nikos«, brummte sie ihrem Mann – einem zart gebauten kleinen Herrn mit feinen Gesichtszügen – zu: »Bring die Karten!«
    »Ooch«, raunten sich Onkel Michalis und Onkel Giorgos zu, die, ebenso wie Mama, Kartenspiele verabscheuten.
    Bald versammelten sich die Übrigen um Effi und Nikos zum Poker. Die Runde, sonst ausgelassen und fröhlich, saß nun mit zusammengekniffenen Augen am Tisch, manchmal wurde laut geflucht: Man spielte um Geld.
    »Das kann die ganze Nacht so gehen«, erklärte uns Onkel Michalis. Also verbrachte er den Abend mit seinen Geschwistern sowie Matina und Papa, die ebenfalls dem Kartenspiel nicht zugetan waren. Sie schwangen plaudernd auf der Hollywoodschaukel hin und her und machten ihre Späßchen: »Pass nur auf, dass deine Frau eure Wohnung nicht verspielt«, sagte Matina zu Giorgos, und der jammerte: » Sto dialo, zum Teufel, Effi liegt schon wieder vorne!«
    Wenn am Wochenende besonders viele Kinder zusammenkamen, spielten wir Verstecken in den hügeligen Feldern, den Olivenhainen und Baustellen benachbarter Sommerfrischler, und alle – die Kleinen wie Sofia und sogar die Älteren wie Stelios – machten mit.
    Kamen Nachbarn des Wegs, hielten sie manchmal eines der Kinder an, um ihm zu gratulieren: »Christo, bravo!«, hieß es dann. »Ich habe gehört, du warst Jahrgangsbester in Mathematik, ftuftuftu. Deine Eltern können stolz auf dich sein.« Oder man raunte uns zu: »Seht ihr die kleine Alexandra da drüben? Sie hatte dieses Jahr das beste Zeugnis an ihrer Schule. Bravo, bravo!«
    Mein Bruder und ich verdrehten bei solchen Lobhudeleien die Augen: Wir kannten das schon. Egal, wo uns in Griechenland Kinder oder Jugendliche vorgestellt wurden – immer kamen solche Sätze: »Das ist Andreas, gib ihm die Hand, er ist Klassenbester.« Oder: »Kennt ihr schon Aliki? Sie hat dieses Jahr das beste Abitur Athens gemacht. Dabei ist sie erst sechzehn. Sie hat eine Klasse übersprungen. Sicharitiria , Gratulation.« Mama wand sich dann immer ein wenig und grinste verkrampft: Mein Bruder und ich waren definitiv nicht Klassenbeste. In jenem Jahr war ich sogar Klassenschlechteste: Ich war sitzengeblieben. Und mein Bruder litt an einer Rechtschreibschwäche.
    Wir waren allerdings auch nicht so fleißig wie die griechischen Schüler und verbrachten unsere Freizeit lieber draußen, wo ich immer noch mit den Jugendlichen der Siedlung bei den Tischtennisplatten herumhing, während mein Bruder den Tag damit zubrachte, mit dem Rad die Hügel in der benachbarten Kiesgrube hinunterzurasen. Außerdem gab es bei uns keine frondistiria . Das waren Nachhilfeinstitute, in denen viele griechische Kinder all ihre Nachmittage verbringen mussten. Nach dem Abitur hockten sie immer noch jeden Tagim frondistirio , denn es galt, sich für die Aufnahmeprüfungen an der Uni vorzubereiten. »Das sind doch alles Streber«, sagte mein Bruder abfällig. »Die können ja nicht mal ordentlich Rad fahren. Außerdem«, und da musste ich ihm Recht geben: »das gibt’s doch nicht, dass alle Klassenbeste sind. Da stimmt doch was nicht!«
    Besonders unsympathisch war uns ein junges Mädchen, das gegen Ende unseres Urlaubs aus England ankam, wo es bereits sein Biologie-Studium abgeschlossen hatte: mit zwanzig! Wir konnten die Studentin schon nicht ausstehen, bevor wir sie überhaupt kennen gelernt hatten, denn ihre Eltern prahlten bei jedem Zusammentreffen mit ihr. Sie war die Anführerin aller Klassenbesten und galt als regelrechtes Genie. Natürlich hatte sie Klassen

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