Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Bettermann
Vom Netzwerk:
tun konnte, denn es wurde mir als allgemeines Grundinteresse ausgelegt, und deshalb verfolgte der Typ mich einen ganzen Nachmittag.
    Anna dagegen hatte den Bogen raus und ging – zumindest so lange sie das wollte – vergleichsweise unbehelligt durchs Leben: Sie strafte die Verehrer mit derart arroganter Nichtbeachtung, dass sie sich meist bald verzogen. Musste ich allerdings wieder einmal kichern, weil einer der kamaki gar zu albern wirkte, verdrehte sie die Augen und seufzte: » Efcharisto , danke, den werden wir jetzt gar nicht mehr los!«, und so war’s dann auch.
    Erst nach und nach schien es sich in Santorin herumzusprechen, dass bei uns nicht zu landen war, und die Inselcasanovas versuchten es wieder verstärkt bei den Schwedinnen, Deutschen oder Engländerinnen auf der Insel, bei denen der Typus »Greek Lover« besser ankam als bei uns. Währenddessen rissen wir zu zweit unsere Witze: »Hast du die Brust gesehen – das war kein Mann, das war ein Gorilla!«
    »Aber ganz stolz drauf, sonst hätte er ja wenigstens einen von fünf Hemdknöpfen zugemacht.«
    »Wenn er noch mal aufkreuzt, sage ich: Wenn du einen Knopf zumachst, lasse ich mich auf ein Getränk einladen. Bei zwei Knöpfen sogar auf zwei.«
    »Und wenn er im Rollkragenpulli ankommt, trinken wir eine ganze Flasche!« So gesehen hatten wir also durchaus auch unseren Spaß mit den kamaki .
    Vielleicht lag es an den lästigen Aufreißertypen, dass ich mich nie recht für griechische Männer interessierte: Sie waren mir irgendwie nicht ganz geheuer. Zwar lauerten die meisten nicht den ganzen Tag an irgendwelchen Straßenecken potenziellen Eroberungen auf. Doch auch die »normalen« waren mit Vorsicht zu genießen – man konnte mit ihnen nicht umgehen wie mit deutschen Männern. Das wusste ich von meinen griechischen Freundinnen und Verwandten: Es herrschten völlig andere Dating-Regeln.
    Das Flirten mit griechischen Männern beinhaltete ein Spiel, das mir zu kompliziert erschien: Es bestand darin, jemandem Hoffung zu machen, sich aber gleichzeitig zurückzuziehen – und die Hoffnung dann wieder dezent zu schüren. Für die Frauen bestand das Problem darin, einen Mann so zu erhören, dass er dabei nicht den Eindruck gewann, es handele sich bei ihnen um leichte Beute. Für all die »Eventuells« und »Vielleichts« einer solchen Anbandelungsphase wäre meine Zeit zu kurz gewesen – ich war ja immer nur auf Urlaub da. Außerdem hatte ich die schlechtesten Ausgangsvoraussetzungen: Weil jeder dachte, dass bei uns Nordländerinnen die Moralvorstellungen laxer waren, ging man davon aus, wir wären leichte Eroberungen. Die Touristinnen aus dem Norden ahnten das nicht – oder es war ihnen gleich. Ich aber wusste Bescheid, deswegen ließ ich lieber gleich ganz die Finger von den Griechen.
    Mit griechischen Paaren hatte ich außerdem echtes Mitleid, denn sie konnten fast nie allein sein: Zärtlichkeiten wurdenin der Regel auf Parkplätzen im Wagen ausgetauscht oder in aller Eile, wenn ihre – oder seine – Eltern ausgegangen waren. Denn junge Griechen und Griechinnen wohnten meist bis zu ihrer Heirat zu Hause bei den Eltern – auch, wenn sie die dreißig bereits überschritten hatten (und das ändert sich erst heute langsam und hat nicht nur mit Moralvorstellungen zu tun, sondern auch damit, dass junge Leute in Griechenland meist einfach noch kein Geld für eine eigene Wohnung besitzen).
    Andererseits konnte niemand von der griechischen Verwandtschaft verstehen, warum mein Bruder und ich – da waren wir schon sehr weit über zwanzig – schließlich von zu Hause auszogen. »Das ist in Deutschland so üblich«, beteuerte Mama unablässig. »Die anderen Kinder ziehen viel früher aus. In ihrem Alter sind sie wirklich spät dran damit.« Der Grund dafür, dass wir damit so spät dran waren, war allerdings sie selbst – meine Mutter konnte nämlich eigentlich ebenso wenig verstehen, warum wir weg wollten. Hatten wir zu Hause nicht alles, was wir brauchten? War es nicht unsinnig, ein enges Zimmer in einer WG zu nehmen, wo doch genug Platz in Mamas Wohnung war? Wäre es nicht besser, das Geld, das wir in unserer Schüler- und Studentenzeit durch Nebenjobs verdienten, für ein schönes Leben mit eigenem Auto und viel Urlaub auszugeben, statt sich um die eigene Miete sorgen zu müssen? Mit ihren Argumenten schaffte sie es, uns lange bei sich zu halten.
    Immerhin durften wir in den Jahren als junge Erwachsene zu Hause unsere Freunde und Freundinnen mitbringen,

Weitere Kostenlose Bücher