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Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Bettermann
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einziger Urlaub zu zweit, und wir verbrachten ihn, wie wir unsere gemeinsame Zeit immer verbracht hatten: mit geradezu unablässigem Plaudern. Ein ganzes, ereignisreiches Jahr musste durchgehechelt werden. Anna hatte außerdem ein Santorin-Spezial aus einem Magazin herausgerissen und betätigte sich als Inselführerin: Sie lotste mich an alle Strände und in die besten Bars, Restaurants, Cafés, kurz: Sie war meine Fremdenführerin.
    Allerdings eine ziemlich lahme Fremdenführerin, die immer fünf Schritte hinter mir herhinkte – im Wortsinn: Anna hatte keine flachen Schuhe im Gepäck. Nicht ein einziges Paar. Sie besaß gar keine flachen Schuhe, sagte sie.
    Zu jener Zeit pflegte Anna einen ziemlich divenhaften Stil – hochgeschlitzte Röcke, tiefe Dekolletés und dramatisches Make-up. Ihre Fingernägel waren lang und stets lackiert, und sie hatte eine Art, sich die Locken aus dem Gesicht zu werfen, die zugleich aufreizend und von oben herab wirkte. Damit hatte sie eine höchst anziehende Aura aus Verlockung und gleichzeitiger Unerreichbarkeit um sich kreiert. Die Inselcasanovas erstarrten bei ihrem Anblick und belagerten unsere Tische so hartnäckig, dass einmal sogar eine resolute ältere Tavernenwirtin einschreiten musste, damit wir endlich wieder unter uns sein konnten.
    Auf dem Weg zu unserer kleinen Pension war die mühselig vor sich hinstolpernde Anna dann aber wieder eine leichte Beute, und so begleitete uns ein allabendliches Mantra aus »Perimene, koukla mou, mia stigmi, matia mou, warte, meine Puppe, einen Moment, mein Augenlicht.« Und der Weg wurde von Abend zu Abend beschwerlicher – mittlerweile hatte Anna nämlich Blasen an den Füßen.
    Santorin ist die hübsche Kykladen-Insel mit der malerischen Steilküste, auf deren Anhöhe sich neben weißgekalkten Häuschen schmale, holprige Gässchen den Berg hinabwinden.Und wieder hinauf. Kein Stöckelschuhterrain. »Die Blasen an deinen Füßen passen jedenfalls gut zu denen auf deinem Rücken«, sagte ich, denn eines Morgens hatte Anna vergessen, Sonnencreme auf ihre helle Porzellanhaut aufzutragen. Die Schmerzen ertrug sie, wie es ihre Art war, relativ klaglos; auf plumpe Anmache hatte sie aber in dem Zustand noch weniger Lust als sonst, deswegen war sie manchmal ein wenig ungehalten über mich: Meine Anwesenheit machte die Inselaufreißer nur dreister. Einfach, weil ich die richtigen Abwehrmanöver nie so gut zu beherrschen gelernt hatte wie Anna.

    Griechische Papagalli werden kamaki genannt, ihr Lebensinhalt scheint es zu sein, so viele Mädchen wie möglich flachzulegen. Es gibt immer noch eine Menge von ihnen, früher aber waren sie eine echte Plage, und – anders als das oft berichtet wird – sie betätigten sich nicht nur auf den Inseln und in den Urlaubsorten. Außerdem machten sie nicht nur auf blonde Touristinnen Jagd: Sie waren überall, und jede Beute war ihnen recht.
    Die kamaki summten den Mädchen Liebeslieder ins Ohr, übertriebene Liebeserklärungen, schwülstige Komplimente, manchmal auch unzweideutige Aufforderungen – was ich eher am Tonfall als am Inhalt erkannte, denn das war ja ein Wortschatz, den ich von Yiayia und Pappous nicht kannte. Manche steckten einem Zettelchen mit ihrer Telefonnummer zu. Davor waren selbst ältere Frauen wie Mama nicht gefeit, die einmal an einer Bushaltestelle in Piräus erschrocken zu schreien anfing und nach einem Herrn mit akkurat gestutztem Schnauzbärtchen schlug. Dabei wollte der Mann sie lediglich anbaggern und hatte ihr verstohlen seine Karte in die Seitentasche ihres Blazers geschoben. Mama, die nach all den Jahren in Deutschland mit den griechischen Gepflogenheiten nicht mehr so vertraut war, dachte, er wäre auf ihren Geldbeutel aus.
    Manchmal verfolgten die kamaki die Mädchen stundenlang durch die ganze Stadt und warteten vor den Geschäften auf sie. Und sie ließen sich die unglaublichsten Geschichten einfallen, um Aufmerksamkeit zu erheischen. Es war ein echter Sport.
    Einer zum Beispiel führte mir einmal in Piräus ein regelrechtes Theaterstück auf, damit ich mit ihm redete: Ich sei doch die beste Freundin seiner Verlobten, er erkenne mich wieder, und es habe keinen Zweck zu leugnen. Die Verlobte habe sich letzte Woche ohne jede Begründung von ihm getrennt, sein Leben hätte nun keinen Sinn mehr, wenn ich aber mit ihm spräche und ihm den Grund offenbarte, könnte ich ihn erretten. Über diese Story musste ich dann doch ziemlich lachen – das war allerdings das Falscheste, was ich

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