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Ich übe für den Himmel

Ich übe für den Himmel

Titel: Ich übe für den Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patmos
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Tommy süße Beerengedanken nach oben und stecke mir saftige Beeren für ihn und für mich in den Mund. Sie zergehen zuckersüß auf der Zunge und ich lache in mich hinein, weil ich die Operationsbetäuberin im Nachbarhaus nicht auf uns aufmerksam machen möchte. Vielleicht ist sie doch da und macht ein Nickerchen. Wie gut, dass die Hecken dicht gewachsen sind. Sie schützen uns vor Einblicken während der Ernte.
    »Frau Schröder, probieren Sie mal.«
    Ich lege ihr drei dicke, schwarze Brombeeren auf die Zunge und später grinsen wir uns mit blauschwarz gefärbten Zähnen und Lippen an. »Kind, mit dir werde ich wieder jung. So etwas sollten wir öfter machen. Meistens machen Dinge, die man eigentlich nicht tun sollte, erst richtig Spaß, oder?«
    »Stimmt«, antworte ich. »Eddie und ich sind auch immer heimlich durch ein großes Loch in unserer Hecke geklettert und in das Haus nebenan geschlichen. Ich hatte ein Kellerfenster entdeckt, durch das wir einsteigen konnten. In den großen Räumen im Erdgeschoss haben Eddie und ich viel gespielt. Ich habe mein Kofferradio mitgenommen und für ihn getanzt und ihm neue Zaubertricks gezeigt. Ich habe versucht, Münzen aus seiner Nase zu ziehen. Und niemand hat uns gestört. Wir hatten noch nie solch ein großes Spielzimmer! Erst als Handwerker und Gärtner kamen, sind wir nur noch abends hingegangen.«
    »Habt ihr nette Nachbarn bekommen?«
    Was soll ich dazu sagen?
    Die Wärme des Sommers ist noch überall zu spüren: auf der kleinen Steintreppe an der Küche, auf der ich noch vor dem Abendessen mit Oma und Frau Schröder gesessen habe, in der Erde, auf der wir barfuß gegangen sind und gegackert haben wie die Hühner, auf der Holzplatte vom Küchentisch, die noch bis vor Kurzem in der Abendsonne stand.
    Jetzt sitzen wir gemütlich beim Abendessen im Garten. Hin und wieder gibt eine Amsel noch eine Gesangsvorstellung für uns, während die Dämmerung geht und der Abend kommt. Papa hat in mehreren Gartenecken Fackeln angezündet und vor jedem Teller brennt ein Teelicht in einem kleinen Glas. Eddie hat Kränzchen aus Gänseblümchen um die Teller gelegt. Die Rosen aus dem Dornröschengarten duften in einer ausgedienten Kaffeekanne. Oma hat für den Nach-tisch hauchdünne Pfannkuchen gebacken, die mit den geklauten Beeren köstlich schmecken. Der Zucker knirscht zwischen meinen Zähnen und wir sagen wie im Chor Mmmmm und lecker! Frau Schröder sitzt neben mir und sagt immer wieder: »Tipptopp! Was für eine köstliche Mahlzeit. Wie soll ich euch nur danken?«
    »Gar nicht«, sagt Papa. »Einfach öfter kommen.«
    »Und Ihre Blumenwiese, Nina, einzigartig. Sie bringen noch einen Spazierstock zum Blühen.«
    »Da sind sie, die Neuen, die Blöden von nebenan«, flüstere ich Frau Schröder zu. Sie und auch Opa haben ihre Hörknöpfe eingeschaltet und bekommen mehr mit als sonst. Ich glaube sowieso, schwerhörige Menschen hören oft viel mehr, als sie zugeben. Mit oder ohne Hörknöpfe.
    Larissa ist froschgrün angezogen, von der Haarschleife in den blonden Barbielocken bis zu den Ballerinaschühchen. Schnoddergrün schießt es mir durch den Kopf. Ich verkneife mir, meine boshaften Gedanken laut auszusprechen. Mister Markenlabel hat Jeans an, bei denen ihm der Hosenboden schon wieder fast auf den Turnschuhen hängt, die man kaum noch sieht. Oben auf seinem Antennenkopf thront eine knallrote Baseballkappe mit der Aufschrift Ferrari . Egal, von dem Kappenträger und seiner grasgrünen Nasebohrerin lasse ich mir den Abend nicht versauen.
    Opa kriegt mit, wie ich auf die Hecke starre. Er dreht sich um, noch ein Stück Pfannkuchen auf die Gabel gepiekst, und trompetet zur Hecke:
    »Tach, ihr beiden! Seid ihr die Neuen von nebenan?«
    Es wird ruhig, alle hören auf zu essen und sehen wie auf Kommando zum Heckenloch. Gerade als Mister Markenklamotten namens Jonathan seine Schwester Larissa wegzerren will, flötet Oma: »Habt ihr Appetit auf Pfannkuchen mit frischen Beeren?«
    Jonathan und Larissa zögern. Ich sehe, wie vor allem ihm das Wasser im Mund zusammenläuft. Scheiße, jetzt quetschen die sich doch wirklich durch unser Loch in der Hecke.
    »Isha, hol mal mit dem Jungen zusammen die Gartenbank an den Tisch«, befiehlt Opa. Na, warte Opa, nachher sage ich dir aber Bescheid, das schwöre ich dir. Das darf doch nicht wahr sein! Auch das noch! Jetzt soll ich die Bank schleppen für diesen durchgesackten Hosenboden und seine Giftkröte … Trotzdem stehe ich auf und tu so, als würde

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