Ich übe für den Himmel
ich jeden Tag mindestens drei Mal eine Bank für einen Lackaffen mit Anhang schleppen.
»Ich lege noch zwei Gedecke auf«, zwitschert Oma fröhlich. Oma kläre ich später noch auf, da kann sie sich drauf verlassen.
Wir rücken zusammen, die Teelichter flackern, die gefüllten Gläser wackeln, als die Neuen sich hinsetzen und scheu um sich sehen. Die tun doch nur so, als wären sie verlegen! Ich kenne Herrn Jonathan ganz anders. Verlegen und scheu, hach, dass ich nicht lache! Der kann ganz anders aus der Ecke kommen. Ihr werdet euch noch wundern, sehr verehrtes Publikum!
Es schmeckt den beiden so gut, dass Oma noch mal in der Küche verschwindet und neue Pfannkuchen zubereitet. Bis jetzt haben Jonathan und Larissa nur gesagt, wie sie mit Vornamen heißen. Ihr Nachname ist Bellmann, erfahren wir jetzt. Das passt, finde ich. Der Vater kann richtig gut bellen, anbellen nämlich: seine Kinder und deren Mutter.
»Habt ihr auch eine Oma, die so leckere Pfannkuchen backen kann?«, fragt Eddie.
Sie schweigen. Komisch. Darauf kann man doch antworten. So schlimm ist die Frage doch nicht.
»Aus welcher Gegend kommt ihr denn?«, fragt Frau Schröder.
»Aus Dresden.«
»Aha«, sagt Opa laut. »Das hab ich mir doch gleich gedacht. Du sächselst ganz schön. Dräschden.«
»Hört man das echt?«, fragt Jonathan erschrocken.
»Was ist denn daran so schlimm?«, lacht Oma. »Gibt so hübsche Worte in Sachsen. Zum Beispiel Bliemchenkaffee und hiesische Pfiersische.«
Alle lachen und Jonathan gesteht stockend: »Unsere Eltern haben vor unserer Geburt in München gelebt. Aber nach der Wende sind sie zurück nach Dresden, wo Papas Eltern immer gewohnt haben. Larissa und ich sind dort geboren. Aber hier lachen uns die Leute aus.«
»Quatsch! Niemand lacht euch aus! Ist doch schön, dass Sprache nicht immer dieselbe Soße ist! Da gibt es so einen Kommissar im Fernsehen, der wie ihr mit seiner Familie von Dresden nach Hamburg an die Elbe gezogen ist. Der sächselt einfach drauflos, dem ist es egal. Netter Schauspieler. Sehen Oma und ich uns gerne an. Hat eine freche Tochter, so eine wie Isha.«
Ich sehe ein Blitzen in Jonathans Augen. Das gefällt ihm wohl, dass Opa mich frech nennt. Ich weiß nicht, ob ich Sächseln schön finde. Sehr viel hat Jonathan ja bislang noch nicht von sich gegeben. Er hat mich hauptsächlich angemacht und das mit nur wenigen Worten. In meiner Wut habe ich nicht so ganz geschnallt, dass er ganz anders redet.
»Freust du dich, dass ihr nach Hamburg gezogen seid?«, fragt Frau Schröder.
»Weiß ich noch nicht«, sagt Jonathan. »Mir hat’s in Dresden gefallen. Wir haben in der Nähe der Elbe gewohnt. Da gibt’s auch Weinberge.«
»Weinberge?«, frage ich, »in Dresden?« Jetzt fängt der schon wieder an zu spinnen.
»Doch, es gibt Weinberge, nur nicht so viele.«
»Stimmt«, bestätigt Frau Schröder. »Die sind sogar ziemlich berühmt. Und dann gibt es auch noch die Sächsische Schweiz.«
Gleich stehe ich auf. Ich bin doch nicht in der Schule. Außerdem ist es gar nicht mehr gemütlich, seitdem die zwei auf unserer Gartenbank sitzen und so viel futtern, als würden sie bei sich zu Hause nichts zu essen kriegen.
»Hast du nun eine Oma oder nicht?« Eddie lässt nicht locker.
»Die haben Larissa und ich, aber wir dürfen uns nicht mit ihr und Opa treffen.«
»Waaaaaaas?« Das kann ich nicht glauben.
»Seit kurz nach der Wende sind Papa und seine Eltern zerstritten.«
Mit deinem Papa kann man sich wunderbar anlegen, denke ich, da muss man sich nicht viel Mühe geben. Und mit dir auch nicht.
»Und warum sind die denn zerstritten?«, bohrt Eddie weiter. Der hat Nerven … Hatte ich die in dem Alter auch? Wahrscheinlich. Aber Eddie mit seinem rosigen Engelsgesicht kann man kaum etwas abschlagen.
»Das, das …«, Jonathan stammelt. »Weil mein Vater plötzlich ziemlich viel Geld verdient hat mit …« Er bricht ab.
Da macht plötzlich die grüne Froschprinzessin den Mund auf. Bislang hatte ich nur ›Bäääh‹ von ihr gehört.
»Ich weiß, warum Opa sich über Papa ärgert.« Sie macht ein bedeutungsvolles Gesicht. »Es stinkt ihm, dass Papa so viel Geld mit alten kaputten Häusern verdient hat. Aua!« Unter dem Tisch hat Jonathan seiner Schwester einen heftigen Tritt versetzt. Sie tritt zurück.
»Unser Opa hat gesagt«, trötet Larissa weiter, »Papa hat die Leute betrogen, weil so viel kaputt war in den Häusern. Das hat er denen nicht erzählt. Deshalb sind sie sich alle ganz, ganz
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