Ich und andere uncoole Dinge in New York
sind. Immer wieder passieren wir gewaltige, asphaltierte Parkplätze, die von Geschäftszeilen umrahmt sind. Um jeden Parkplatz reihen sich die gleichen Geschäfte und wenn nicht die Reihenfolge variieren würde, könnte man nicht sicher sein, dass wir nicht konstant den gleichen Parkplatz umkreisen. Dann verschwinden die Geschäfte und wir passieren eine Villengegend mit Häusern mit großen Fenstern und Vorgärten. Die Häuser bestehen aus einer abwegigen Mischung aller erdenklichen Epochen und Stilrichtungen. Jeder hat sich unabhängig von Zeit und Ort das Haus seiner Träume gebaut und so weit perfektioniert, dass eine Schwarzwaldvilla oder ein italienischer Palazzo viel deutscher oder italienischer aussehen als ihre Originale in Deutschland oder in Italien.
„Ich habe für morgen Berti’s Bagels gekauft. Ich hoffe, du magst Bagels“, sagt Rose zu mir.
Rachel sieht mich begeistert an. „Das sind die besten, du wirst sehen!“
Ich nicke euphorisch, auch wenn ich noch nie einen Bagel gegessen habe. Rachel stimmt in das Lied ein, das aus dem Radio tönt, während Adam mit der Hand den Takt klopft. Ich beginne ebenfalls mitzusingen, erst leise, dann etwas lauter und falsch. Es ist trotzdem schön, die eigene Stimme zu hören. Ich habe schon ewig nicht mehr gesungen. Ich bin so froh, dass ich cool genug war, das Treffen mit Peter von mir aus zu verschieben. Naja, jedenfalls früh genug, dass er es nicht verschieben konnte. Er hat danach noch eine supernette SMS geschrieben, die ich mir heimlich noch einmal anschaue. Ich habe alle seine SMS gespeichert. Auf nächste Woche freut er sich genauso wie ich. Das nächste Lied ist von Prince und ich singe schallend mit, bis sich Rachels Fingernagel in meinen Unterarm bohrt. „Stopp“, flüstert sie mir kichernd ins Ohr. „Bitte nicht Cream – get on top vor meiner Mutter singen.“
Ich überlege, was ich da gerade gesungen habe , aber es kann eigentlich nicht bedeuten, was es schlimmstenfalls bedeuten kann. Aber in Deutschland denke ich nie über die Aussage englischer Liedertexte nach. Zum Glück fährt Rachels Mutter unbeirrt weiter.
„Judith, wir sind ja so dermaßen auf deine Mutter gespannt!“
„Schön“, bringe ich mühsam heraus.
„Du musst stolz auf sie sein. Dave sagt, sie hat unglaublich viel Talent, und der muss es schließlich wissen.“
Ich nicke stumm. Ich bin mir nicht sicher, an welches ihrer Talente Dave glaubt.
Nachdem die Häuser wieder einstöckig geworden sind und die Grundstücke kleiner, parkt Rose das Auto neben einem unspektakulären Bungalow aus den Siebzigern. Innen sieht es nach Flower Power aus: gelbe Cordsofas, braune Möbel und braun-orange gestreifte Tapeten – für den Look zahlen ein paar Läden in New York viel Geld an raffinierte Innenarchitekten. Die Küche ist aus dottergelbem Plastik und auch auf Fensterrahmen und Tischen wechseln sich ausschließlich drei Farben ab: braun, gelb und orange. Nur Rachels Schlafzimmer wirkt wie ein Anbau aus einem alten englischen Schloss. An der Wand steht ein Himmelbett. Die Wände, die Bettwäsche und sogar der Lampenschirm sind mit lila Laura-Ashley-Blumen übersät. Das Zimmer hat irgendwie nichts mit Rachel zu tun.
„Ein Geburtstagsgeschenk von meiner Mutter“, flüstert sie mir ins Ohr, als hätte sie meine Gedanken gelesen. „Sie hat sich so darüber gefreut. Ich konnte ihr nicht sagen, wie scheußlich ich es finde.“
Als wir am Küchentisch sitzen und darauf warten, dass eine Auberginen-Lasagne im Ofen zu Ende brutzelt, betritt eine noch eindrucksvollere Version der Rosenbaum-Frauen die Küche: Meredith. Ihre Haut strahlt weiß und ihre dunklen Haare sind von zarten, blonden Strähnen durchzogen. Sie beginnt in einer hohen Tonlage zu schreien und lässt dann zwei große Einkaufstüten aus ihrer Hand gleiten, um Rachel zu umarmen.
„Schwesterherz, wie großartig.“
Sie schreit weiter und umarmt mich, als wäre mich zu treffen, das Großartigste, was ihr je passiert ist. „Judith, wie fantastisch, dass du dabei bist. Meine Güte, und deine Mutter – Dave hat einen erlesenen Geschmack. Seine letzte Freundin war Wahnsinn – optisch jedenfalls. Wir platzen vor Neugier. Und Gina soll zudem ja auch noch was hier drin haben.“ Sie tippt sich mit dem Zeigefinger an den Kopf.
Oh Gott. Ich kann nur hoffen, dass die geballten Erwartungen der Rosenbaums nicht zu arg enttäuscht werden. Aber ich fürchte, das wird schwierig für meine Mutter.
„Ich war bei Loehmann’s“,
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