Ich und andere uncoole Dinge in New York
besteht einfach aus ziemlich wenigen Dates, weil alle so wahnsinnig beschäftigt sind.
„Hey, German Girl. Ich würde dich wirklich auch wahnsinnig gern wiedersehen. Nächste Woche bestimmt“, schreibt Peter später in der Nacht noch. Ich kann wegen der Hitze und der dröhnenden Klimaanlage von dem benachbarten Restaurant sowieso nicht schlafen und verbringe eine Stunde damit, eine passende Antwort zu tippen. Am Schluss lösche ich alles wieder. Irgendwie ist es besser, noch eine Antwort offen zu haben. Dann stopfe ich mir Ohropax ganz tief in die Ohren, öffne das Fenster und schlafe tatsächlich ein.
Die andere Seite
Am Freitag läuft das Wetter zu ungeahnten Höchstleistungen auf, was die Hitze angeh t. Es ist inzwischen Mitte Juli. Rachel hat mir erzählt, dass alle wohlhabenden New Yorker den Sommer über nach Long Island ziehen, zumindest am Wochenende. Für uns geht’s dafür ins legendäre New Jersey. Hatte Dave nicht mal erwähnt, dass wir ihn auf Long Island besuchen sollten? Manchmal ist die Welt einfach ungerecht. Am Abend quetschen wir uns in den überfüllten Subway und recken die Köpfe nach oben, um Sauerstoff einzuatmen, der nicht nach durchgeschwitzten Klamotten riecht. Dann besteigen wir einen Bus, um auf „die andere Seite“ zu wechseln, wie Rachel sagt: New Jersey. Die Sitze im Bus sind viel zu weich gepolstert und die Ausdünstungen der verschwitzten Menschen mischen sich mit einem süßlichen Parfüm, das in regelmäßigen Abständen in den Bus gepumpt wird. Auf so eine Idee können nur Amerikaner kommen, frei nach dem Motto: Wenn es sowieso stinkt, dann wenigstens künstlich. Rachel erzählt Geschichten von zu Hause, während ihr Gesicht abwechselnd in Sonne und Schatten getaucht wird. Das schnelle Flackern von Licht und Schatten betäubt mich und ich drehe mich zum Fenster, damit mir nicht übel wird. Rachels fröhliche und aufgeregte Stimme perlt wie ein warmer Strom in mein Ohr, während ich in der Scheibe die undeutliche Reflektion meines eigenen Umrisses betrachte. Endlich steigen wir aus und Rachel läuft zu einem Auto, das an einer Straßenlaterne wartet. Eine elegante Frau steigt aus. Sie trägt Jeans, aber mit der Haltung einer Königin. Erst umarmt sie Rachel, danach schließt sie mich mit der gleichen Selbstverständlichkeit in ihre langen, grazilen Arme. Trotz ihrer Schlankheit ist sie weich und riecht nach Seife. Dann blickt sie mich mit Rachels großen Augen und dem mir vertrauten Lächeln an: „Wie schön, dass du uns besuchen kommst, Judith. Ich bin Rose, Rachels Mutter.“
Inzwischen ist der Typ, der bis dahin grinsend vom Wageninnern aus zugesehen hat, vom Beifahrersitz ausgestiegen. Er ist größer als Rachel, auch eher lang und schmal, abe r in einer muskulösen Variante. Auf seinem Kopf wuchern Unmengen flauschiger, schwarzer Locken. Dazu hat er erstaunliche, geradezu königsblaue Augen. Vielleicht sehen sie auch nur deshalb so blau aus, weil die Wimpern, Augenbrauen und restlichen Haare so schwarz sind wie Rachels. Er begrüßt Rachel mit verschiedenen Knuffen in den Oberarm und sagt dann an mich gewandt: „Super, dass du mitgekommen bist. Du bist also die Tochter von Daves neuer Flamme. Muss ja ein heißer Feger sein, deine Mutter. Daves letzte Freundin war ein russisches Model.“
Ich muss verwirrt aussehen, denn er fügt hinzu: „Ich bin Adam. Wir haben mal telefoniert. Vielleicht sind wir ja bald verwandt, wenn’s weiter so gut läuft. Mmh, wäre eigentlich schade“, grinst er und mustert mich ziemlich schamlos.
„Meine Freundinnen sind tabu“, gackert Rachel und rammt ihren Ellenbogen ziemlich heftig in seine Rippen.
Dann hält er mir die Tür auf und ich rutsche schnell auf die Rückbank. Vielleicht bin ich ja inzwischen wirklich Rachels Freundin.
Rose setzt sich breitbeinig hinter das Steuer, so wie man das eher von einem amerikanischen Trucker erwarten würde als von Rachels vornehmer Mutter. Ich teile mir mit Rachel die Rückbank und Rose fährt los. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, dass ich in einem Auto gesessen hatte, das kein Taxi ist. Während sich die anderen unterhalten, betrachte ich die Kulisse, die am Fenster vorbeizieht. Übergroße Werbeplakate mit altmodisch gemalten Motiven säumen den Straßenrand. Es gibt Restaurants aus Plastikplanken im Holz-Look, die mit altertümlichen Schriftzügen auf Gemütlichkeit getrimmt
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