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Ich und andere uncoole Dinge in New York

Ich und andere uncoole Dinge in New York

Titel: Ich und andere uncoole Dinge in New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia K. Stein
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Richard Wagner ist: „Ich würde liebend gern einmal die Bayreuther Festspiele besuchen, um eine dieser berühmten Aufführungen zu sehen.“
    „Jerry, du brauchst gar nicht so provokant zu reden.“ Tante Deborah richtet sich noch höher in ihrem Stuhl auf. „Fahr hin, wenn du es nicht lassen kannst. Aber, und das hat nichts mit euch persönlich zu tun …“ Tante Deborah richtet ihre sorgfältig schwarz umrahmten Augen für einen kurzen Moment auf meine Mutter und mich: „Ich finde das respektlos. Ein Besuch in Deutschland geht einfach zu weit – und dann auch noch Wagner!“
    „Ich fahre ja gar nicht. Ich habe keine Zeit und es ist unmöglich, Karten zu bekommen. Du brauchst dich gar nicht aufzuregen.“ Jerry blickt zu Regine und zieht hilflos die Schultern nach oben. „Ihre Eltern waren damals in Dachau. Eine schlimme Zeit“, fügt er leise hinzu, so dass nur ich und meine Mutter es hören können. „Dabei haben die Deutschen doch die schönste Musik.“ Meine Mutter sieht betreten zu Boden. Ich weiß auch nicht, was ich sagen soll.
    „Debbie, jetzt reicht es aber. Das machst du doch extra“, fällt Dave mit scharfer Stimme ein.
    „Was meinst du, Liebling?“, fragt Debbie unschuldig, wobei sie „Liebling“ besonders stark betont.
    „Du willst uns doch nur den Abend verderben.“
    „Du bist einfach ein zu sensibler Mann. Aber das liegt wohl an deiner Künstler-Natur?“, fragt sie herablassend.
    „Debbie. Du wolltest ein freundschaftliches Verhältnis. Ich brauche keins. Aber wenn du es darauf anlegst …“
    Das Messer meiner Mutter Regine fällt klirrend auf den Teller. „ Die Debbie? Deine alte Debbie?“ Regine rückt ihren Stuhl zurück, um mehr Abstand zwischen sich und Dave zu schaffen, und ihre Stimme wechselt in eine hysterische Tonlage. „Dave, du hättest mir sagen müssen …“
    „Danke, Debbie, du machst es mir wirklich leicht, unsere Trennung nicht zu bereuen.“ Dave steht auf und greift nach der Hand von meiner Mutter. „Ich habe sowieso noch einen Termin. Wir gehen.“
    „Du musst gehen? Ich eigentlich nicht. Ich wollte einen netten Abend mit meiner Tochter verbringen“, erwidert meine Mutter schnippisch und reißt ihre Hand zurück. Rose und Jerry blicken sich hilflos an.
    Oh nein. Meine Mutter kann höllisch ausrasten und wird dann sagenhaft peinlich. Ich traue ihr durchaus zu, ein paar Teller gegen die Wand zu schleudern, falls sie glaubt, dass ihr so ein Diven-Auftritt gut steht.
    „Mama, alles in Ordnung. Geh nur. Du solltest das vielleicht nochmal mit David besprechen.“ Ich schenke ihr ein aufmunterndes Lächeln, das sie nicht verdient. Aber einen Total-Ausraster will ich auf jeden Fall verhindern.
    Sie blickt in die erschrockenen Gesichter von Rose und Jerry, steht auf und läuft mit energischen Schritten zu Debbie. Für einen Moment ist nicht klar, ob sie ihr eine runterhauen will, und ich ducke mich vorsorglich in meinem Stuhl. Dann fällt sie Debbie stürmisch um den Hals. Debbie lässt die Umarmung stocksteif über sich ergehen, zu überrascht, um sich zu wehren.
    „Ach Deborah, ich wollte dich schon immer mal kennenlernen. Dave hat so viel von dir erzählt“, bringt Regine mit derartig übertriebener Begeisterung hervor, dass es unmöglich ist zu entscheiden, ob sie mit der Umarmung jetzt Debbie oder Dave eins auswischen will. Wahrscheinlich beiden, wie ich sie kenne. „Wir müssen uns unbedingt nochmal treffen. Hier ist meine Nummer.“ Sie zieht tatsächlich eine ihrer neuen Visitenkarten aus der Tasche, auf die sie großkotzig „Visual Artist“ als Berufsbezeichnung gedruckt hat, und legt sie vor Debbie auf den Tisch, als diese keine Anstalten macht, ihr die Karte aus der Hand zu nehmen.
    Als die Tür hinter Dave und meiner Mutter ins Schloss fällt, hört man ziemlich deutlich, wie alle erleichtert aufatmen. Debbie sieht zufrieden aus und taut noch richtig auf. Zweimal lacht sie sogar laut, wobei sich auf geradezu gespenstische Weise nur ihr Mund bewegt. Nach dem Essen spiele ich eine holprige Mondscheinsonate nach Adams Noten, die das Stück hemmungslos vereinfachen und gleichzeitig skrupellos entstellen. Jerry und Adam lauschen trotzdem begeistert. Meredith und Rachel verdrehen die Augen, um sich für das ulkige Verhalten ihrer Familie zu entschuldigen, denn Jerry summt die Melodie laut mit, wenn er ein paar Takte erkennt, und klopft den Rhythmus mit dem Fuß. Später, nachdem Tante Deborah gegangen ist, demonstrieren Adam und Meredith im

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