Ich und andere uncoole Dinge in New York
nicht, warum ich die einzige bin, die abends müde wird. In New York scheint das nicht normal zu sein.
„Sollen wir noch kurz ins Cielo?“ fragt Peter ein paar Minuten später.
Das kann er nicht ernst meinen. In meinem Bauch steigt eine Ahnung hoch, die ich nicht hochkommen lassen will.
„Ah, du bist wahrscheinlich zu müde. Mmmhh.“ Er überlegt einen Moment. „Wahrscheinlich sollten wir nach Hause gehen“, sagt er immerhin.
„Natürlich“, stimme ich erleichtert zu. „Peter, es ist halb zwei.“
„Nur für einen kleinen Moment, okay?“, sagt er dann doch wieder.
„Okay“, sage ich, in dieser Sekunde einfach zu überrascht und bekämpfe all die unangenehmen Gedanken, die sich in mein Gehirn drängen. Lust habe ich keine. Ich will jetzt aber nicht erst romantisch von meinem Seminar entführt werden, dabei eine Spur der emotionalen Verwüstung zurücklassend, um dann einfach Tschüss zu sagen. Das kann es nicht gewesen sein. Wir teilen uns ein Taxi mit Nick, der die ganze Zeit von den Mädels erzählt, die er gerade gesehen hat, und die Noten, die er an sie verteilt hat, mit Peter diskutiert.
„Neee, die hatte doch ein totales Doppelkinn, die bekommt nur eine drei.“ Peter lacht sich über ihn kaputt. Ich bin mir nicht sicher, ob er mit ihm oder über ihn lacht, aber Nick scheint das sowieso egal zu sein. Es gibt wirklich ganz wenige Momente, in denen ich Dinslaken vermisse, aber jetzt gerade ist so ein Moment. Dinslaken ist so uncool, dass man sich überhaupt nicht anstrengen muss, in irgendeiner Form cool zu sein. Und vor allem kann man einfach nach Hause gehen, wenn einem langweilig ist, weil es nicht noch Hunderte von Clubs gibt, in denen man etwas verpassen könnte. Ich würde jetzt liebend gern nach Hause gehen, aber ich will nicht aufgeben und Peter sieht aus, als hätte man eine Lampe in seinem Kopf angeknipst, so gut gelaunt und aufgedreht ist er. Wir gehen also noch kurz ins Cielo. Sofort stürzen ein paar von Peters Bekannten auf uns zu. Nach einer weiteren Stunde und bevor wir komplett versumpfen, reißen wir uns endlich los. Oder besser, reiße ich Peter los. Im Taxi nach Hause ist es wie immer. Wir küssen uns, ohne Rücksicht auf den Taxifahrer und ohne Rücksicht darauf, dass man im Land der unbegrenzten Möglichkeiten tatsächlich wegen PDA Public Display of Affection angeklagt werden kann. Er zieht mich auf seinen Schoß und ich weiß wieder, warum ich Peter so mag, oder ich weiß es nicht, aber mein Körper weiß es auch ohne mich. Jedenfalls ist es egal, was ich denke, ich will einfach nur mit ihm zusammen sein.
Zu Hause liegen wir im Bett. Das heißt, ich liege im Bett und Peter telefoniert ziemlich lang in der Küche. Ich will es nicht wahrhaben, aber langsam werde ich sauer. Er hat mich schließlich zurückgeholt. Er telefoniert so lange, dass ich immer wütender werde, aber weil ich auf keinen Fall wütend sein will und vor allem nicht an Adams Gesicht denken will, als er mich gebeten hat, nicht wegzufahren, wird mir schlecht. Als Peter dann endlich kommt, habe ich das Gefühl alle Gedanken und Colas und Tonics haben sich in meinem Bauch zu einem riesigen Knoten verschlungen wie ein Knäuel aus Mäusefell und Knochen im Magen einer Katze. Leider bin ich keine Katze, die das Knäuel einfach ausspucken kann, ich bin ja noch nicht einmal bulimisch. Stattdessen ziehe ich Peter aufs Bett. Peter geht sofort darauf ein. Aber irgendwie ist die ganze Zeit noch eine zweite Judith dabei, die neben dem Bett steht und nüchtern zuschaut, statt das Steuer an die Hormone zu übergeben. Das irritiert mich derartig, dass ich mich auf eine Art Show-Programm einlasse. Während wir uns langsam abwechselnd die Klamotten ausziehen, seufze und bewege ich mich wie leidenschaftliche Schauspielerinnen im Fernsehen, bei denen auf Gesicht und Oberkörper gezoomt wird. Peter holt irgendwann ein Kondom heraus, aber ich schiebe ihn zurück, und nach dem zweiten Zurückschieben, legt er das Kondom zur Seite. Seine Augen sind immer noch geschlossen. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob er weiß, dass ich da bin. Dann legt er den Kopf nach hinten und gibt ein Geräusch von sich, das sich wie ein Summen anhört. Dann hält er inne. Ich bin insgesamt irgendwie gefühllos und eigentlich ist das Ganze wie ein Film, aber kein sentimentaler Liebesfilm. Er umarmt mich so, dass seine Nase in meiner Achselhöhle liegt und schläft ein. Ich bin hellwach. Mir ist schlecht. Ich muss daran denken, wie ich in Dinslaken
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