Ich und andere uncoole Dinge in New York
im Bett gelegen habe und mir vorgestellt habe, dass irgendwo auf der Welt der perfekte Junge lebt, der genauso wie ich an die Zimmerdecke starrt und dass ich ihn eines Tages treffen werde. Ich weiß genau, wie diese Stelle meiner Zimmerdecke aussieht. Es ist eine Holzdecke mit einer paar Löchern, in die ich sogar mal Botschaften mit Nachrichten für besagten Jungen gesteckt habe. Ich bekomme keine Luft und schiebe Peters Arm zur Seite, der meine Hand einquetscht. Er dreht sich ohne aufzuwachen zur Seite. Sein Bauch wölbt sich auf und nieder wie bei einem zusammengerollten Hamster.
Meine Augen brennen, aber schlafen kann ich nicht. Ich streife mir mein Shirt über und gehe ins Bad, um mir Wasser übers Gesicht laufen zu lassen. Ich habe wahnsinnig viel Durst und durchwühle die Küchenschränke nach etwas Eßbarem gegen das flaue Gefühl in meinem Magen. Aber ich finde hauptsächlich Tablettenschachteln. Es ist immer die gleiche Schachtel: Ritalin. Darüber haben wir immer noch nicht gesprochen. Peter hat wirklich Unmengen davon. Ich mache noch die anderen Schränke auf und hinter den Tellern finde ich noch mehr Schachteln. Massenhaft Schachteln, das können gut und gern zweihundert Packungen sein. Einige sind leer, aber die meisten sind voll.
Ich gehe zurück zu Peter und schüttele ihn. Ich schüttele in sogar ganz fest.
„Peter?“, schreie ich in sein Ohr. Aber er wacht nicht auf. Er schläft wieder seinen komischen komatösen Schlaf. Ich richte mich auf und schnappe nach Luft. Ich schwitze, obwohl ich nur ein dünnes Shirt anhabe. Und dann mache ich etwas, was ich noch nie gemacht habe. Wirklich, noch nie. Ich ziehe sein iPhone aus seiner Hosentasche. Dabei fallen zusammengeknitterte Geldscheine heraus. Die meisten sind Zwanzig-Dollar-Noten. Er ist ganz schön nachlässig mit seinem Geld, das sind viele Scheine. Hat er nicht irgendetwas von Geldproblemen gesagt? Irgendwie weiß ich nicht mehr über Peter, sondern immer weniger. Und dann, einfach weil ich jetzt sowieso dabei bin, sehe ich in den anderen Taschen nach und bin eigentlich nicht überrascht, dass da noch viel mehr Geld drin ist. Inzwischen habe ich das Gefühl, komplett zu glühen, und mein Herz pocht hysterisch. Dann gehe in die Küche und lasse mich auf einen grünen Plastikstuhl fallen. Er hat dreizehn SMS auf dem Handy. Meine Hände zittern und mir ist noch viel flauer im Magen als vorhin. Ich klicke die erste Nachricht an:
hey bud – brauch Nachschub für Dorm
Prüfungen fangen an und alle drehen total ab, weil sie Ritalin brauchen. Ich komme gleich vorbei. Wo bist du?
bin gleich im Cielo treffe dich an Bar. Genug mitbringen! Bitte an Sonderpreis denken .-)
Hey muss dich dringend sehen. WO BIST DU?
Und so weiter. Er dealt Ritalin. Hatte Adam doch erzählt, wie Leute ohne ADS das einfach als Lern- und Partydroge benutzen. Und er hatte recht, dass Peter das nur zu gut selber wusste. Wo ich jetzt sowieso sein iPhone habe, googele ich Ritalin – und klar: Ich glaube, ich bin die letzte in New York, die noch nie was von Ritalin gehört hat. Ich wette, sogar meine Mutter kennt es oder hat schon mal ein paar Pillen eingeworfen. Es ist derzeit die beliebteste College-Droge überhaupt: man kann damit stundenlang lernen und stundenlang feiern. Zwanzig Stunden wach funktioniert wunderbar, solange man nachwirft. Mir schießen Unmengen Bilder durch den Kopf: die ganzen Leute, die Peter ständig trifft, seine Mega-Intensität, wenn er lernt oder feiert, und seine Ausdauer. Das viele Geld und seine unerklärlichen Launen. Wie kann man eigentlich so blind sein?
Ich ziehe mich an. Leise, wobei Peter ja sowieso nie aufwacht, wenn er einmal schläft. Es ist also völlig egal, ob ich leise oder laut bin. Peters Kopf liegt seitlich auf dem Kissen. Sein Gesicht ist gerötet. Er sieht fertig aus. Er will sich ändern? Das hat man ja gestern gesehen und wenn das der erste Tag war, wo er sich ändern wollte, wie sehen dann eigentlich die Tage aus, wenn seine Motivation abgeflaut ist? Ich habe diese Wohnung eigentlich noch nie morgens mit Peter verlassen oder bin neben ihm aufgewacht. Ich gehe ganz leise zur Tür. Ich bin schon zu oft hier rausgeschlichen. Dann knalle ich die Tür hinter mir zu, so laut ich kann. Arschloch. Mein Gesicht glüht immer noch, obwohl es draußen viel kühler geworden ist. Außerdem ist es schon sechs Uhr und ich habe nicht eine Sekunde geschlafen. Mir kommen schon ein paar Jogger entgegen. In New York sind
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