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Ich und andere uncoole Dinge in New York

Ich und andere uncoole Dinge in New York

Titel: Ich und andere uncoole Dinge in New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia K. Stein
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erzählt, dass ich einen Streit mit Rachel hatte. Der Scirox-Tag schleicht vorbei, ich warte jeden Moment auf die Kündigung von Gretchen. Als sie einmal in einem schwingendem Rock an mir vorüberschwebt, ducke ich mich noch tiefer. Ihre langen Haare sind zu einem Knoten eingeschlagen. Einige Strähnen fallen für einen perfekt arrangierten „unfrisierten Look“ heraus, ohne dass man ihr dabei eine Absicht nachweisen könnte. Aber sie bemerkt mich nicht. Ich blicke nach unten auf meine eigenen ausgetretenen Turnschuhe und bin zum ersten Mal froh, dass sie mich mit derartiger Penetranz übersieht.
    Ich schleiche mich etwas früher aus dem Büro und treffe meine Mutter zum Shopping-Bummel, den sie sich in den Kopf gesetzt hat. Den letzten gemeinsamen Shopping-Bummel haben wir gemacht, als ich zwölf war. Dabei hat sie mir riesige baumwollene Unterhosen angedreht, die zugebenermaßen wahnsinnig bequem waren, aber in der Mädchenumkleidekabine vor der Sportstunde zur Hölle wurden. Danach haben wir das gemeinsame Einkaufen aufgegeben. Jetzt fahren wir mit dem Subway nach Midtown und laufen das letzte Stück zu Saks Fifth Avenue, wo meine Mutter glaubt, das Nirvana zu finden. Wir passieren die New York Public Library, für die die Bezeichnung „Bildungstempel“ nicht übertrieben ist, laufen am Bryant Park vorbei, wo ich oft nach der Arbeit in den letzten Sonnenstrahlen und meistens schwülen Abendstunden stehe, um einen Drink zu schlürfen. Ich kann gar nicht glauben, dass ich in gar nicht so langer Zeit wieder nach Hause fahren muss, um mein Leben in Dinslaken wiederaufzunehmen. Am Rockefeller Center flattern die Flaggen im Sommerwind. Es ist ein wunderschöner Tag, ausnahmsweise auch nicht zu heiß, eigentlich zu schade, um ihn in einem Kaufhaus zu verschwenden. Aber Regine proklamiert mit fester Stimme „Heute kaufe ich dir was Schönes“ u nd schiebt mich durch die blankgeputzten Eingangstüren.
    „Warum denn das?“, frage ich, weil das definitiv verdächtig ist.
    „Wieso kann ich dir nicht einfach mal was Schönes kaufen?“
    Eine Verkäuferin stürzt zwischen einem Berg rosa Parfumschachteln hervor und bespritzt mich mit einer Wolke künstlicher Vanille. „Entschuldigung, ich bin allergisch“, motze ich sie an.
    „Oh, das tut mir wirklich leid“, sagt sie im gleichen Tonfall als würde sie „Leck mich doch“ sagen.
    „Es gibt doch bestimmt einen Grund.“ Mir wird heiß, obwohl die Klimaanlagen bei Saks auf Hochtouren laufen. Meine Mutter will mir etwas schenken, um dann die gute Stimmung zu nutzen, um zu verkünden, dass sie Dave heiraten wird.
    „Ach, du kennst mich zu einfach zu gut“, lacht meine Mutter geschmeichelt.
    Oh nein. Ich hatte recht. Und gleich kauft sie mir eines dieser pinken Törtchenkleider, in denen ich auf der Hochzeit die Schleppe tragen darf.
    „Warum siehst du mich so panisch an?“, fragt Regine mit einem Anflug von angestrengter Lockerheit.
    Mir schwant Böses.
    „Weißt du, du hast mich einfach so wahnsinnig inspirie rt. Die Bilder, die ich bei euch im Apartment gemalt habe, haben den Galeristen überzeugt, kurzfristig eine Ausstellung auf Long Island zu organisieren. Und Dave und ich machen eine Party. Donna Karan kommt wahrscheinlich auch! Tja, und weil wir bald nach Hause müssen wegen deiner Schule, wird es auch eine Abschiedsparty.“ Der letzte Satz enthält den Anflug einer Beschuldigung.
    „Und warum das Geschenk?“
    „Du bist der Grund, dass ich die Show bekommen habe.“ Sie blickt mich verschwörerisch an. „Du wirst es noch verstehen.“
    „Mhh.“ Ich nicke, aber eigentlich verstehe ich nichts. Leider missversteht eine Dame hinter einem weiteren pastellfarbenen Parfumstand mein Nicken und nutzt den Moment, um eine Wolke Patschuli auf mein Shirt zu sprühen. Ich rieche inzwischen wie ein verzweifeltes Callgirl. Wir drängen uns durch das grelle Licht und die vielen aufgeregten Verkäufer und Kunden.
    „Mama, ich will gar nichts.“
    „Was?“ Sie hat sich eine besonders helle Tonlage angewöhnt, seit sie in den USA ist, wie so eine hysterische Amerikanerin. „Du brauchst nicht so bescheiden zu sein. Der Galerist meinte, er ist sich sicher, dass ich gut verkaufen werde. Und er verkauft die Sachen vielleicht zu Preisen – Wow, das hätte ich mich nie getraut.“
    „Wenn ich noch einmal angesprüht werde, muss ich mich übergeben. Ich muss hier raus.“
    „Sag mal, ist eigentlich alles in Ordnung bei dir?“, fragt meine Mutter, als wir endlich

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