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Ich und du Muellers Kuh

Ich und du Muellers Kuh

Titel: Ich und du Muellers Kuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei-Angelika Mueller
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was. Himmel, ich werd’ noch verrückt!«
    Sie drängte Manfred die Treppe hinauf. Ich leerte meinen Sekt in den Schirmständer, was Raskolnikow mit Befremden bemerkte, und folgte den beiden in den ersten Stock.
    Hier hatten sich während der Zeit des Mitternachtsgottesdienstes die zwischenmenschlichen Beziehungen der Partygäste auf interessante Weise entwickelt. Im Eßzimmer saßen Rosel und ihr bulliger Exgatte engumschlungen am Tisch und gossen Zinn. Sie hatten ihre Liebe zueinander neu entdeckt und planten eine zweite gemeinsame Zukunft.
    Im Wohnzimmer lehnte der ewige Student bleich, aber gefaßt am offenen Fenster und hielt eine letzte Rede an das Volk. Er sei des Lebens müde, so sprach er, denn Rosel habe seine Liebesschwüre mit rohen Worten abgewiesen, und deshalb werde er sich nunmehr aus diesem Fenster stürzen.
    Zwei Gäste hielten ihn am Rockzipfel fest. Evelyn hängte sich an seinen Hals. So viele ernsthafte Bemühungen um seine Person linderten den Liebesschmerz des ewigen Studenten, gossen Öl in seine Wunde und brachten ihn endlich dazu, seine selbstmörderischen Absichten aufzugeben. Er wurde zu einem Sessel geleitet, dort saß er still bis zum Morgengrauen und fixierte die Anwesenden mit finsteren Blicken. Ab und an entwich ein tiefer Seufzer seiner Brust.
    Die übrige Gesellschaft warf aus den Fenstern des Schlafzimmers Frösche und Heuler in den Garten hinaus. Manfred ging hinüber. Ich folgte ihm, nahm ich doch an, daß er mahnende Worte an die Krachmacher richten würde, und ich wollte ihn zurückhalten, damit er ihnen nicht alle Freude verderbe.
    Er trat ans Fenster. Ich traute meinen Augen nicht. Er hielt einen Knallfrosch in der Hand, er holte aus, er warf. Nun hatte auch er schon einige geistige Getränke zu sich genommen, der Gottesdienst hatte ihm Kraft abverlangt, das schlechte Gewissen schien ihn zu bedrängen, jedenfalls ging der Schlag nach hinten los. Der Frosch, eigentlich nach draußen geworfen, sprang zurück ins Zimmer, hüpfte über das Bett, surrte von Wand zu Wand und verglühte schließlich auf Evelyns teurem Bettvorleger.
    »Auch das noch!« schrie diese, »mein Teppich! Ein echter Kelim! Ein Loch! Aber Manfred, warum wirfst du ihn denn ins Zimmer und nicht auf die Straße?«
    »Ich hab ihn ja rausgeworfen. Ich weiß nicht, wie es passieren konnte, er muß sich gedreht haben!«
    Manfred stand da mit hängenden Schultern. Er schüttelte verwirrt den Kopf und hatte den ersten und letzten Frosch seines Lebens geworfen.
    Im Eßzimmer dagegen herrschte eitel Freude. Dort hatten die geschiedenen, aber nun wieder in Liebe vereinten Ehegatten ein zinnernes Gebilde gegossen, welches, wie sie meinten, einem Ehering glich. Also beschlossen sie, demnächst wieder zu heiraten.
    Raskolnikow lag zu Füßen des ewigen Studenten und zernagte das schwarze Abendtäschchen der schwarzen Rosel. Der ewige Student sah das Zerstörungswerk, und ein Lächeln glitt über seine Züge.
    Die enttäuschte Blondine lehnte schluchzend an der Brust des Hausherrn, was Evelyn zu Recht empörte, blockierte es doch denselben derart, daß Evelyn alle Schwierigkeiten allein tragen mußte.
    »Du bist zauberhaft!« flüsterte er ihr ins Ohr.
    Ich hörte es und war verstimmt, denn mit eben diesen Worten hatte er mich vor der Jahreswende beglückt, und ich dummes Huhn hatte es ihm geglaubt und während der schlimmsten Phasen dieser Nacht Kraft daraus gesogen. Der Herr mit dem empfindlichen Magen irrte durch die Räume.
    »Meine Brille! Wo ist meine Brille?« murmelte er. Jetzt strebte er auf mich zu.
    »Haben Sie vielleicht meine Brille gesehen?«
    »Sie liegt im Goldfischglas.«
    »Lächerlich!« knurrte er, ging zum Goldfischglas und durchbohrte es mit seinen Augen. Nach langer Betrachtung zog er die Jacke aus und krempelte den Hemdärmel hoch.
    »Bitte nicht! Laß es bleiben, Paul!« Evelyn rang die Hände. »Keine Prügelei heute nacht mehr! Ich kann es nicht ertragen, meine Nerven reißen!«
    Raskolnikow ließ die Trümmer der Abendtasche fallen, eilte seiner Herrin zu Hilfe, knurrte drohend und fuhr dem Herrn an die Beine. Der angelte bereits im Goldfischglas.
    »Pfeif deinen Dackel zurück, Evelyn!« rief er, »die Bestie zerreißt mir die Hosen!«
    »Nimm erst deine Hand aus meinem Goldfischglas!« fauchte Evelyn, »was kann der arme Fisch dafür, daß du verrückt geworden bist?«
    Der Herr zog ein paar Algen heraus, dann den Goldfisch und dann die Brille. Raskolnikow schnappte schier über vor Jagdeifer

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