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Ich und du Muellers Kuh

Ich und du Muellers Kuh

Titel: Ich und du Muellers Kuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei-Angelika Mueller
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Gefilde, daß mich Angst erfaßte, ich könnte darin versinken. Manfred schien der Gefahr bereits erlegen. Mit einem zarten Fußtritt rief ich seine Gedanken in die rauhe Wirklichkeit und seinen Blick in die rechte Höhe zurück und stopfte mir das Eierbrötchen in den Mund, um eine Hand freizubekommen. Die Blonde warf mir einen Blick zu, kurz, scharf, kritisch, dann lächelte sie huldvoll. Keine Konkurrenz für mich, hieß dieses Lächeln, mit diesem Kleid und diesem Makeup! Dann tauchte sie einen verheißungsvoll tiefen Blick in Manfreds Brillengläser, doch konnte ich mich nur kurz darüber ärgern, denn die Pranke des Hünen schoß vor, ergriff meine Hand und riß daran. Hoffentlich macht er’s bei Manfred ebenso, dachte ich, damit der wieder zur Besinnung kommt!
    »Ihr seid also diese sagenhaften Pfarrers?« hub der Mensch zu sprechen an und ließ seine Augen über uns wandern, von oben nach unten und von unten nach oben mit unverhohlenem, tiefem Interesse, so als wären wir das letzte Pärchen einer zum Aussterben verurteilten Tierrasse. »Wahrhaftig, Evelyn, du hast recht, man sieht es ihnen nicht an!«
    Über Manfreds Gesicht ging ein verklärtes Leuchten, das hörte er gerne, das tat ihm wohl.
    »Aber ohne Berufskluft geht’s wohl nicht? Mann, hier braucht man doch nicht im schwarzen Anzug aufzukreuzen!«
    Manfred beteuerte, daß er diesen schwarzen Anzug keineswegs immer trage, sondern nur, weil er um Mitternacht noch einen Gottesdienst halten müsse...
    »Macht doch nichts, Mann!« rief der andere, »ich bin ja froh, wenn die Pfarrer wenigstens etwas schaffen. Für meine Kirchensteuer könnte ich mir ‘nen eignen Pfarrer halten!«
    Er schlug Manfred herzhaft auf die Schulter, worauf dessen Cocktailglas »>blaue lady<« um sich spritzte und zu meiner Freude das Kleid der blonden Dame freigiebig damit bedachte.
    »Ach, wie peinlich!« rief Manfred und angelte nach seinem Taschentuch, wobei das Cocktailglas erneut in heftige Bewegung geriet, »entschuldigen Sie, bitte!«
    »Macht nichts«, erwiderte sie etwas verkrampft und zog sich eilig aus seiner Spritzweite zurück.
    Uns aber schob Evelyn zum nächsten Gast, einem schlacksigen und etwas ungepflegt wirkenden Menschen.
    »Das ist Egon«, sagte sie, »unser ewiger Student. Er ist so ungeheuer klug, daß er gar nicht aufhören will zu studieren.«
    Egon warf den Kopf zurück, daß ihm die Haarsträhnen aus der Stirn flogen und lächelte bescheiden.
    »Man sieht sofort, daß Sie Pfarrer sind. Wissen Sie, ich bin Menschenkenner.«
    Das Leuchten in Manfreds Augen erlosch, er sah also doch aus wie ein Pfarrer. »Den schwarzen Anzug habe ich nur an, weil ich von hier aus zu einem Gottesdienst gehe.«
    »Da können Sie anhaben, was Sie wollen, ich merke es gleich. Wissen Sie, ich bin Menschenkenner.«
    »Sie sagten es schon«, bemerkte ich, »und was studieren Sie, wenn man fragen darf?«
    »Meinen Sie, was ich schon alles studiert habe oder was ich jetzt gerade studiere?«
    Es versprach, ein langes Gespräch zu werden. Er öffnete den Mund, Evelyn stopfte ihm ein Leberwurstbrötchen hinein, worauf er heftig zu kauen anhub und außer Schmatzgeräuschen nichts anderes von sich geben konnte.
    »Ein Problemfall«, flüsterte Evelyn mir zu und zog uns von Gruppe zu Gruppe. Die Damen und Herren beteuerten immer wieder und mit einer fast übertrieben wirkenden Dringlichkeit, daß sie persönlich gegen Pfarrer nichts hätten und daß Pfarrer auch Menschen seien. Ein Herr wußte sogar von einem Freund zu berichten, der einen Pfarrer persönlich kenne und glaubhaft versichert habe, daß dieser Pfarrer ein ganz normaler Mensch sei. Hingestreckt in einen Sessel sahen wir zum Schluß ein exotisches Geschöpf im roten Kimono mit blaß geschminktem Gesicht, hochtoupiertem, schwarzem Haar und strahlenden, dunklen Augen.
    Ich knickte zusammen vor soviel überirdischer Schönheit.
    »Rosel Reibele, agnehm«, sagte sie in breitestem Schwäbisch und winkte müde mit der weißen Hand, »i han scho viel von Ehne ghert.«
    Es ergab sich die interessante Konstellation, daß diese schwarzweiße Schönheit die geschiedene Frau des lärmenden Hünen war, der nun jene Blondine am Arm führte. Wie sich im Lauf des Abends zeigte, konnten Schwarz und Blond einander nur schwer ertragen. Evelyn hatte sie deshalb bei Tisch so weit entfernt gesetzt wie möglich. Dies hinderte die beiden jedoch nicht, scharfe Pfeile in Richtung der verhaßten Konkurrentin zu schießen, so daß die anderen

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