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Ich und du Muellers Kuh

Ich und du Muellers Kuh

Titel: Ich und du Muellers Kuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei-Angelika Mueller
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Tischgenossen erschreckt die Köpfe einzogen.
    »Ich mußte sie zusammen einladen, die Rosel und ihren Exehemann!« klagte Evelyn später in der Küche, »was meinst du, was passiert wäre, wenn ich einen von den beiden nicht eingeladen hätte? Krach hätt’s gegeben, und was für einen!«
    Nun, den Krach gab’s trotzdem, und wir alle durften ihn miterleben. Vorerst aber wurden wir zu Tisch gebeten.
    Ich trank noch schnell mein zweites Gläschen »blaue lady« aus, dieweil es mir so köstlich mundete und ich in meiner Einfalt dachte, dieses Getränk bestehe aus blaugefärbtem, stark gesüßtem und mit Alkohol leicht gespritztem Zitronensaft.
    Hinter Manfred her zog ich ins Eßzimmer ein und suchte lange Zeit vergeblich nach meiner Tischkarte. Die Buchstaben verschwammen mir vor den Augen. Also ging ich um den Tisch herum, bis alle saßen, und ich mich auf dem freibleibenden Platz niederlassen konnte. Mein Tischherr war schon etwas älter und besaß einen empfindlichen Magen. Diese Tatsache hatte er mir bereits bei der Begrüßung mitgeteilt, als ich mich darüber wunderte, daß er keine »blaue lady« trinken wollte.
    »Die lehnt mein Magen ab«, hatte er geantwortet.
    Bei Tisch erwies es sich, daß alle Speisen, welche andere Menschen auch nicht besonders schätzen, von seinem Magen abgelehnt wurden. Nun hatte Evelyn, eine großartige und unerschrockene Köchin, diesen Silvesterabend mit Hilfe eines Karpfens verschönern wollen. Das tat der Fisch auch, denn er war vortrefflich zubereitet, leuchtete blau wie die »blaue lady«, balancierte eine Zitronenscheibe samt Petersilienstrauß im aufgesperrten Mäulchen und sah gar appetitlich aus. Doch war er leider nur von mittlerer Größe und für diese Tischrunde ein wenig zu klein geraten.
    Mein Tischherr hatte weder Appetithäppchen noch Nüsse noch Cracker zu sich genommen, auf die Suppe hatte er auch verzichtet, die Kartoffeln an sich vorübergehen lassen, und nun hatte er Hunger. Er saß traurig vor seinem kleinen Stücklein Karpfen, hatte es gar bald verzehrt und schaute sehnsüchtig auf meinen Teller, wo ich überaus sparsam wirtschaftete, um noch recht lange etwas Gutes zu haben. Seine hungrigen Blicke schnitten mir ins Herz, und also bot ich ihm zögernd ein Stückchen Fisch an. Er griff mit solchem Eifer zu, daß mein Teller sich schneller leerte, als mir lieb war.
    So klein der Fisch auch war, er sorgte doch dafür, daß wir ihn die Nacht durch nicht vergaßen. Den armen Gastgebern stieß er noch am nächsten Morgen auf.
    Wir Damen halfen beim Abräumen. In der Küche riet die üppige Blondine, den Karpfenkopf einfach ins Klo zu werfen, da könnte er Raskolnikow nicht in die Pfoten fallen und wäre außerdem für alle Zeiten aus der Welt geschafft. Hierin freilich irrte die Blondine, doch nahm Evelyn den Rat dankbar auf, und also verschwanden die Reste des Karpfens an, wie es schien, geeigneter Stelle.
    Im Lauf der Nacht machte sich Unzufriedenheit unter den Gästen bemerkbar. Die Damen flüsterten die traurige Nachricht in Evelyns Ohr, die Herren in das von Karl-Otto. Auch ich mußte es mit Bedauern bemerken: das Klo war verstopft.
    Als wir am nächsten Tag bei unseren Freunden anriefen, um uns zu bedanken, war der Hausherr nicht zu sprechen. Evelyn aber erzählte in bewegten Worten, was alles er durchgemacht hatte, bis der Karpfenkopf wieder zum Vorschein kam.
    Zurück zur bewegten Silvestergesellschaft. Zum Fisch gab es Wein, nach Tisch gab es Bowle.
    »Fisch muß schwimmen«, sagte Karl-Otto wohlgemut und schenkte ein. Nun hätte ich eigentlich nicht viel Flüssigkeit für die zwei Bissen Fisch benötigt, schon die »blaue Lady« hätte sie zum Schwimmen gebracht, doch schmeckten mir Wein und Bowle gar köstlich. Ich trank tapfer mein Glas leer und ließ es herzlich gerne nachfüllen. Manfred saß derweil unten in der Diele, trank Mineralwasser, las die Predigt noch einmal und merkte nicht, daß seine Frau entscheidende Fehler machte und den Rat eines nüchternen Ehemannes schmerzlich entbehrte. Mittlerweile hatte Egon, der etwas schmuddelige, ewige Student, die kalten Bereiche des Verstandes verlassen und war in die gefährlich heißen Gefilde der Gefühle geraten. Ihm nämlich war von Evelyn der Platz neben jener schwäbisch-ätherischen Rosel zugewiesen worden. Sein Herz entflammte für sie und ihre rührende Zartheit, zumal sie beim Essen nicht reden konnte. Er bedachte sie mit glühenden Blicken und legte den Arm schützend um ihre Schultern. Dies

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