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Ich und du Muellers Kuh

Ich und du Muellers Kuh

Titel: Ich und du Muellers Kuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei-Angelika Mueller
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und sank auf die Gartenbank nieder. Die Witwe stieß einen Schrei aus, stürzte zu ihm, dem sichtbar eine Beule auf der Stirn wuchs und drückte seinen gemarterten Kopf an ihren Busen.
    Dies war von Tschechow nicht vorgesehen und stand auch nicht im Rollenbuch, deshalb soufflierte Katja so laut und so schnell sie konnte, aber die beiden vernahmen nichts.
    Dafür erwachte das Publikum aus seiner angstvollen Erstarrung, lachte und klatschte, denn eine solche Opferbereitschaft der Spieler rührte selbst das verstockteste Herz.
    Der Haß hatte sich in Liebe verwandelt, anders als Tschechow gemeint, aber durchaus glaubwürdig.
    Auf meiner einen Seite stand Ulla unter Dampf, auf der anderen Alexander. Ich trat ihm auf den Fuß, damit er erwache.
    »Alex, du mußt jetzt den Wein auf die Bühne tragen!« Ich drückte ihm das Tablett mit Weinflasche und Gläsern in die Hand. Er hob es hoch über seinen Kopf und setzte sich in Bewegung.
    »Du meine Güte! Hier ist der Wein, Gnädigste!« so sollte er sagen, und er sagte es auch.
    Aber die beiden hörten ihn nicht, sie standen vereint in einem ersten Kuß. Da machte Alexander einen Schritt und setzte seinen Schuh mit Nachdruck auf Ferdinands strümpfigen Fuß. Der tat einen Schrei und einen Sprung und stieß mit dem Kopf an das Weintablett. Die Flasche neigte sich und leerte ihren Inhalt auf Elfis schwarze Locken. Rote Brühe rann über ihr Gesicht, den silbrigen Stehkragen, den weißen Hals und verteilte sich über das schwarze Gewand. Es war kein echter Wein, sondern nur Himbeersaft, trotzdem verlor Elfi an Schönheit. Neben ihr tanzte Ferdinand auf einem Bein herum, das Gesicht schmerzlich verzerrt. Alexander stellte das Tablett auf den Tisch und verließ diskret den Ort des Geschehens.
    Nun verfiel das Publikum in ehrliche Begeisterung. Man lachte herzlich, und des Klatschens wollte kein Ende werden.
    Julius überreichte einen Strauß roter Rosen, der in der Farbe trefflich zum Himbeersaft paßte. Diesen Strauß hielt Elfi vor ihr Gesicht und knickste graziös. Hansi zog den Vorhang viele Male auf und zu, bis er schließlich »mir langt’s« sagte und in der Kammer verschwand, um sich für »Das Kunstwerk« umzuziehen.
    Ferdi und Elfi glühten vor Wut und Himbeersaft, als sie hinten bei uns in den Kulissen anlangten. Beide wollten sich auf Alexander stürzen, aber Ferdi wurde von Ulla abgedrängt, Elfi von mir. Ulla, blond, zierlich, sanft, reckte sich in die Höhe und entlud ihre Aggressionen in einer schallenden Ohrfeige. Auf Ferdis Wange erblühte der Abdruck von fünf Fingern, auf seiner Stirn sproßte die Beule, er hinkte, doch nahm er dies alles gelassen hin, grinste verlegen und sagte nur: »Aber Ulla!«
    Elfi und ich standen in der Kammer und versuchten mit Tempotaschentüchern und Kölnisch Wasser gegen den Himbeersaft anzugehen.
    »Er hat’s doch nicht mit Absicht gemacht, Elfi!«
    »Doch! Natürlich! Lächerlich hat er mich machen wollen!«
    »Du hast ihn auch furchtbar gereizt!«
    Während wir uns hinter den Kulissen mit unseren Problemen herumschlugen, hatte Julius Fink vor dem Vorhang auch mit Schwierigkeiten zu kämpfen.
    Er dankte den trefflichen Schauspielern für den Kunstgenuß und schien eisern gewillt, dem Bären, der da so erschröcklich gebrummt einen Nasenring anzulegen, ihn als dressiert und possierlich hinzustellen, trefflich geeignet, vor Nikodemusleuten zu tanzen und ihnen den Abschied vom greisen Missionar zu erleichtern. So richtete er an diesen die schelmische Frage, ob er in seinen Sturm- und Drangjahren nicht vielleicht ähnliches erlebt habe.
    »Nein!« der Missionar schüttelte den weißen Kopf. Aber Julius Fink ließ sich nicht beirren und sprach von dem segensreichen Wirken des Missionars in China, welches, wie man wisse, ja an Rußland grenze, so daß die Sitten und Gebräuche sich möglicherweise glichen...
    »Nein!« sagte der Missionar wieder und erhob sich, dem müsse er entschieden widersprechen.
    Aber Julius ließ ihn nicht zu Wort kommen, sondern sagte an, daß der Kirchenchor jetzt singen würde.
    Der Kirchenchor versammelte sich in der hinteren Ecke des Saales und sang: »Sonne der Gerechtigkeit«, das Lieblingslied des Missionars. Der setzte sich wieder auf seinen Platz und lauschte ergriffen. Während der sieben Strophen fragte ich mich unablässig, wie es hatte passieren können, daß ich dieses Programm nicht vorher in die Hände bekommen hatte.
    »Wechselbäder sind gesund!« flüsterte Magnus, Sohn eines Arztes, »aber

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