Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich und du Muellers Kuh

Ich und du Muellers Kuh

Titel: Ich und du Muellers Kuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei-Angelika Mueller
Vom Netzwerk:
uninteressant, dafür körperlich anstrengend und schweißtreibend, aber die anderen jungen Leute wußten wohl, wie ich zu fangen war: »Du bist irrsinnig ulkig! Zum Totlachen! Keiner kann das so gut wie du!« Da hing ich schon am Köder und gedachte, durch mein komisches Talent auch dieses dumme Stück zu einem kleinen Kunstwerk zu machen. Der Inhalt ist schnell erzählt: Eine Bäuerin kommt ins Sprechzimmer eines Arztes und will Eier verkaufen. Er aber fragt sie nicht nach ihrem Begehr, sondern fordert sie auf: »Ziehen Sie sich aus!« Nun zieht sie sich unter Augenrollen und Grimassenschneiden ein Gewand nach dem anderen über den Kopf, ist vorher dick wie eine Tonne, wird immer schlanker und immer aufgeregter, weil sie nicht zu Wort kommt. Schließlich gelingt es ihr, herauszuschreien, warum sie gekommen. Sie kämpft sich durch den Kleiderberg, ergreift ihren Korb und flieht, natürlich immer noch aufs beste bekleidet.
    Angetan mit unzählig vielen Kleidern, Röcken, Blusen, einen komischen Hut auf dem Kopf, den Eierkorb am Arm, so stand ich also auf der Bühne. Beim ersten »Ziehen Sie sich aus!« lachte noch einer. Beim zweiten wurde es still im Saal. Kein Lacher mehr, kein Laut. Ich kam mir vor wie allein auf der Welt. Beim dritten stand ein Kirchengemeinderat auf, zwängte sich durch die Reihe und ging mit hallenden Schritten über den Mittelgang nach draußen. Beim vierten schrie jemand aus den Reihen des CVJM: »Aufhören!« Meine gespielten Grimassen wurden echt, der Schweiß lief mir übers Gesicht. Unten im Saal pfiff jemand, andere scharrten mit den Füßen. Da raffte ich mich auf, schlug dem Doktor meinen Eierkorb um die Ohren, schrie heraus, warum ich gekommen, lief von der Bühne, fort, weg, nach Hause, in mein Zimmer, warf mich aufs Bett und meinte vergehen zu müssen vor Scham und Verzweiflung. Ich wollte keinem Menschen mehr unter die Augen treten, nicht länger leben, Harakiri begehen, wenn ich gewußt hätte, wie man das macht.
    Da kam mein Vater. Er setzte sich auf den Bettrand, ließ mich weinen und sagte lange nichts. Dann drückte er mir sein Taschentuch in die Hand.
    »Da, jetzt langt’s! Ich weiß, daß du dir nichts dabei gedacht hast, aber so sind die Leute, und man muß es bedenken. Sie haben dich verletzt und mich mit dir. Du kannst sicher sein, sie tun es nicht noch einmal. Jetzt putz deine Nase und wasch dein Gesicht, denn du mußt mit mir hinübergehen und deine anderen Stücke spielen! Komm, Kind!«
    Er trocknete meine Tränen ab und gab mir einen Kuß. Der Kirchenchor sang gerade, als wir ins Gemeindehaus kamen und durch den Mittelgang zur Bühne gingen. Mein Vater hatte den Arm um meine Schulter gelegt.
    Ich spielte die Sketche und wurde mit Beifall begrüßt und mit Beifall verabschiedet. Nach dem letzten Auftritt mußte ich mich hinter den Kulissen auf den Boden legen, weil ich nicht mehr stehen konnte.
    Ein schlimmes Erlebnis — und trotzdem, mein Vater war mir selten so nah gewesen.
    Manfred kannte die Geschichte. Ich hatte sie ihm erzählt, weil er schlecht mit seinem Schwiegervater zurecht kam und weil ich das gerne ändern wollte.
    Nun erstand dieser »Theaterskandal« noch einmal vor meinen Laienspielern, und sie waren tief beeindruckt. »Klasse!« rief Ferdinand, »habt ihr übrigens bemerkt, wie mein Vater geklatscht hat?«
    »Meinem hat das Stück auch gefallen«, Ulla lachte verlegen, »und auf den Leuchter war er ganz verrückt. Ich könnt’ schwören, daß er irgendwelche Scherben davon aufbewahrt.«
    »Ich bin gespannt, was mein Vater sagt«, meinte Hansi. Die anderen schwiegen still.
    Wir feierten bis hinein in den Sonntag. Als uns das klar wurde, brachen wir eilig auf, denn Manfred hatte Gottesdienst zu halten und brauchte noch ein paar Stunden Schlaf.
    »Aber wir machen doch weiter?« rief Magnus durchs Autofenster zu uns herein, »am Donnerstag treffen wir uns wie immer oder...«
    Wir trafen uns schon viel früher, nämlich noch am selben Tag. Sehr verschlafen, sehr müde, langten Manfred und ich zum Gottesdienst vor der Kirche an. Wer stand da, eng zusammengeballt vor dem Haupteingang? Mein Laienspielkreis!
    Da hatte ich immer gedacht, ich müßte einmal missionarisch wirken und ihnen sagen, daß ich mich freuen würde, wenn sie auch in die Kirche kämen, doch ich hatte mich nie getraut — und nun, nach dieser durchwachten Nacht, standen sie allesamt von ganz alleine da.
    Ich gesellte mich zu ihnen. Ferdi empfing mich mit seinem schiefen Lächeln.
    »Gell,

Weitere Kostenlose Bücher