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Ich und du Muellers Kuh

Ich und du Muellers Kuh

Titel: Ich und du Muellers Kuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei-Angelika Mueller
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und langweiliger als der andere. Bei Julius Fink lachten sie noch und klatschten begeistert Beifall.
    »Aha«, sagte Ulla, »‘s sind viele Damen da!« sie kannte sich aus in der Nikodemusgemeinde.
    Der Kirchenchor sang: »Wie groß ist des Allmächt’gen Güte«.
    Meine Zweifel wuchsen, ob ich mit den Tschechow-Humoresken eine glückliche Auswahl getroffen hätte. Auch Ferdi, der Sensible, pfiff leise durch die Zähne und murmelte:
    »Au weia! Da paßt unser >Bär< rein wie der Elefant in den Porzellanladen!«
    Der Beifall im Saal wurde immer schwächer, die Unruhe immer größer. Über eine Stunde war seit Beginn der Veranstaltung vergangen. Nun bedankte sich der Missionar für alle ihm erwiesenen Ehrungen. Daß es ihm nicht gegeben war, sich kurz auszudrücken, wußten wir alle, wappneten uns deshalb mit Geduld und vermeinten, noch viel Zeit zu haben. Der nächste Programmpunkt war unser erstes »besinnliches« Stücklein, nämlich >der Bär<. Aber horch, schon brandete dankbarer Applaus auf. All diese Reden hatten dem Hochgeehrten anscheinend die Sprache verschlagen, vielleicht wollte er auch in guter Erinnerung bleiben, jedenfalls war er früher fertig als gedacht. Wir stoben von unserem Ruheplatz auf und rannten in alle Ecken.
    Die Mitglieder des Posaunenchores räumten die Bühne und trampelten hinunter in den Saal. Hansi, unser Muskelpaket, ließ den Vorhang zusammenrauschen. Wir stürzten auf die Bühne, stellten die Stühle hinaus und unsere Kulissen hinein: Gartenlaube und Baum, Tisch und Bank. Katja kroch in den Souffleurkasten.
    »Alles in Ordnung?« Julius Fink hob den Vorhang und lugte hinter die Bühne. »Seid ihr soweit? Kann ich ansagen?«
    »Gleich! Sofort! Noch eine Minute!«
    In dieser einen Minute passierte es. Elfi, verwirrt von Angst und Aufregung, vergaß allen Ärger, den Ferdi ihr bereitet, warf das Kriegsbeil über Bord und sich an Ferdis Brust.
    »Wir beide, du und ich, wir müssen zusammenhalten!« Jetzt drückte sie ihm auch noch einen Kuß auf die Wange. Ferdi fuhr es in die Glieder. Elfi, die ewige Widersacherin, die Schwarze, die Freche, sie klammerte sich an ihn, sie küßte ihn!
    »Hab keine Angst! Wir schaffen es!«
    Er blickte ihr in die Augen, sie blinkte zurück, da war es um ihn geschehn.
    Das alles trug sich zu in dieser einen Minute; ich sah es und erschrak. Mit mir erschrak Ulla, die neben den beiden stand, denn sie hatte ihrem Ferdi gerade auch einen tröstlichen Kuß mitgeben wollen, und es erschrak Alexander, Diener der Popowa und bisheriger Herzensfreund der Elfi.
    Draußen im Saal ertönte Julius Finks Baß. Bei Gemeindefesten pflegte er die Zuhörer mit Gedichten zu erfreuen, und auch den »Bär« führte er durch ein solches ein.

    »Du siehst nun liehe Festgemein
    Von Tschechow gleich ein Stückelein.
    Es ist besinnlich, heiter, schön,
    Und eine Freude anzusehn.
    Drum, wenn der >Bär< jetzt zu uns kummt,
    In unsrer Mitte freundlich brummt,
    Dann dürft ihr herzlich lachen auch
    Bei Nikodemus ist dies Brauch.«

    »Kennt er das Stück, Frau Pfarrer?«
    Dies fragte Magnus hinter mir, aber mein Augenmerk war auf das Feuerwerk zwischen Elfi und Ferdi vor mir gerichtet.
    »Raus mit euch!« fauchte ich sie an, »es geht los! Reißt euch zusammen!«
    Sie witschten an mir vorbei, es knisterte, die Funken stoben. Der Saal dagegen versank in Dunkel. Hansi zog den Vorhang. Die beiden spielten, wie sie noch nie gespielt hatten, gingen wie die Furien aufeinander los, schrien und tobten.
    Ferdinand zappelte rettungslos in Elfis Netzen und schien von allen guten Geistern verlassen. Er mimte den bärbeißigen, tolpatschigen Baron mit solcher Urgewalt, daß die entsetzten Gemeindeglieder sich tief in ihre Stühle verkrochen und mit hervorquellenden Augen auf die Bühne starrten. Er riß sich einen Stiefel vom Fuß und warf ihn — wie Russen zu tun pflegen — im Zorn von sich. Nie hatte ich ihm dergleichen Mätzchen beigebracht, aber die Liebe machte ihn erfinderisch, und von meinen Regieanweisungen hatte er noch nie etwas gehalten.
    Dieser Stiefel nun flog zu uns in die Kulisse und landete ausgerechnet in Alexanders Armen, der sowieso schon mit den Zähnen knirschte. Was sich da draußen auf der Bühne zutrug, das brachte den ruhigen und beherrschten Jüngling langsam zum Kochen. So packte er den Stiefel, zielte und schleuderte ihn zurück auf die Bühne, geradewegs an den Kopf des verhaßten Rivalen.
    Ferdinand stand einen Augenblick benommen, schüttelte ungläubig das Haupt

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