Ich und du Muellers Kuh
mal!«
»Deswegen brauchsch net glei schreie!«
»Ja, Mathias, hast recht!«
Er zog ab, und kurz danach schloß Manfred die Flurtür auf. Beide Söhne gesellten sich zu mir.
»Los, Mulchen, er kommt!«
»Manfred, es tut mir leid, Verzeihung!«
Andreas und Mathias nickten zufrieden und sahen dann erwartungsvoll zu ihrem Vater hinauf. Der schwieg verstockt.
»Na, Vati, was sagt mr?«
»Was denn?«
»Menschenskind!« Mathias seufzte, »jetzt sagt se scho >Verzeihung< und du, und du...«
Manfred lachte. Er beugte sich herunter und gab mir einen Kuß auf den glühenden Rücken. Wie von der Tarantel gestochen fuhr er empor und sauste ins Badezimmer.
»Was isch denn jetzt scho wieder los?« fragte Mathias, »des isch ja furchtbar!« Er marschierte hinter seinem Vater her, um ihn zur Räson zu bringen. Nach einem Weilchen kehrte er zurück und vermeldete: »Er hat sich d’ Mund verbrannt!«
So sprang mir die Hex zum ersten Mal auf den Rücken, traktierte mich elendiglich und flog zum Schornstein hinaus.
Doch sie kehrte wieder in immer kürzeren Abständen und in den ungünstigsten Augenblicken, dann nämlich, wenn ich mit Gepäck beladen die Treppe hinaufkroch, fiel mir um den Hals und blieb dort hängen, so daß ich mich keuchend ans Geländer klammern mußte, bis endlich eine freundliche Seele auftauchte, mich vollends hinaufhievte und in die Arme meiner leidgeprüften Familie lehnte.
Wir legten ein Brett in mein Bett, um der Hex den Aufenthalt so unbequem wie möglich zu gestalten. Ich hing mich an den Türrahmen, krümmte mich auf dem Boden, um sie abzuschütteln, badete in schwarzem Moorwasser, um sie zu vergraulen, es half nichts. Sie besuchte uns immer häufiger, blieb länger und bezog endlich Dauerquartier bei uns.
Wir versuchten, uns mit dem ungebetenen Gast zu arrangieren. Wenn die Schmerzen während der Hausarbeit unerträglich wurden, legte ich mich platt auf den Boden und trachtete danach, mich zu entspannen: Mein rechter Arm wird ganz schwer, mein linker Arm wird ganz schwer. Ich fühle keine Schmerzen. O Himmel, ich halt’s nicht mehr aus! Kehrte Andreas von der Schule und Mathias vom Kindergarten heim, so fanden sie ihre Mutter gar oft zusammengekrümmt auf dem Teppich liegen.
»Hasch dei Tablettle scho gnomme, Mulchen?«
Ich stöhnte. Sie eilten davon.
»Erscht muß se was esse!« Andreas sprach, wie er es oft von seinem Vater gehört hatte, »damit se was im Mage hat. Los, runterschlucke!«
Er schob mir Brot in den Mund, Bissen um Bissen. Dann kam Mathias mit dem Tablettenröhrchen und einem Wasserglas, er hob mir den Kopf hoch, schob zwei Tabletten in meinen Mund, goß reichlich Wasser hinterher und ließ den Kopf wieder vorsichtig sinken.
»Isch’s unte? Ja? Gut! Glei wird’s besser!«
Sie hockten neben mir am Boden. So warteten wir gemeinsam auf die erlösende Wirkung, dabei erzählten sie, was für Erlebnisse sie draußen in der großen Welt gehabt hatten.
»War’s schön im Kindergarten, Mathias?«
»Furchtbar langweilig! Sie hat wieder von dem Gott erzählt!«
»Sag doch nicht solche Sachen, Mathias! Der Vati erzählt den Leuten auch von Gott. Und wenn ich dir erzähle, dann hörst du’s doch gern!«
»Ja Mulchen, dei Gott, der macht solche tolle Sache und lauft auf ‘m Wasser rum, ohne daß er naß wird und zaubert Hering und Weckle für die viele Leut..., aber der Tante LIerta ihrer, der will immer bloß, daß mr lieb isch und a Schäfle und niemand haut...«
»Jetzt laß sie doch«, fuhr Andreas seinen Bruder an, »merksch net, daß ihr’s wehtut? Frau Birzelehat gsagt, du sollsch irgendwas mit ‘m Auto machen, Mulchen«, er fuhr sich nachdenklich mit zwei Fingern über die Stirn, genauso, wie es sein Vater machte, wenn er überlegt, »ah, jetzt weiß i’s wieder. Autogäres Tränik, und es soll Wunder wirke. Wie geht’s? Isch’s besser?«
»Ja, jetzt kann ich wieder aufstehen und kochen. Der Vati wird gleich kommen.«
Manfred übernahm das Einkäufen und machte die Betten. Andreas bediente das Telefon, beherrschte die hohe Kunst des Spaghettikochens, und konnte ich mich gar nicht bewegen, so saß er neben mir und las vor. Er las »Tom Sawyer« und »Huckleberry Finn«, mit zitternder Stimme auch »David Copperfield«, indessen Mathias am Fußende des Bettes verstohlen die Tränen aus seinen Augen wischte und bemerkte, er fühle es, wie diese Geschichte ihn zu einem guten Menschen mache.
Mathias wurde ebenfalls eingesetzt. Da er gerne mit Wasser planschte,
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