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Ich und du Muellers Kuh

Ich und du Muellers Kuh

Titel: Ich und du Muellers Kuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei-Angelika Mueller
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Mund.
    »Wasser trägt! Niemand geht unter, der sich ihm anvertraut! Ihr dürft nur nicht strampeln und Angst haben!«
    Wie macht man das, keine Angst zu haben, wenn man vor Angst schlottert? Wie lernt man es, einem Element zu vertrauen, dem man zutiefst mißtraut? Man reißt sich zusammen, schaltet seinen Verstand ein, sagt sich, daß es in einem Thermalbad keine Blutegel gibt und daß schlimme Erfahrungen überwunden werden müssen. Man will den Kindern ein gutes Beispiel geben und dem Mann ein tapferes Weib sein, damit er es nicht bereuen möchte, ein solches Angstbündel von Frau an Land gezogen zu haben.
    Mein Kopf steckte voller guter Vorsätze, als wir in der Badeanstalt anlangten. Aber in der Umkleidekabine fiel mit jedem Kleidungsstück auch ein guter Vorsatz, so daß ich schließlich mit einem Kopf voll dröhnender Leere auf das Bänkchen niedersank. Nicht einmal der neue Badeanzug führte meinem Herzen Stärkung zu. Manfred klopfte an die Tür.
    »Bist du fertig?«
    »Geht schon mal voraus, ich komm dann nach!«
    »Nein, wir warten. Beeil dich!«
    So mußte ich denn die Tür öffnen und mit freudig verzerrtem Gesicht unter die Meinen treten. Andreas und Mathias wirkten auch nicht gerade froh erregt. Manfred dagegen glühte vor Eifer, uns in die seligen Gefilde der Wasserfreuden zu geleiten.
    »Los, los, macht schon!« drängte er und faßte mich am Arm. »Wir haben nur eine Stunde Zeit!«
    Dies nun wieder war ein tröstlicher Gedanke: Die Zeit des Grauens würde in einer Stunde überstanden sein.
    Der Bademeister betrachtete uns mit argwöhnischen Blicken, als wir die Schwimmflügel an unsere Arme klemmten.
    »Hier lernt man nicht schwimmen, dies ist ein Thermalbad und nur für gesundheitliche Zwecke geeignet.«
    Ich legte demonstrativ meine Krücken zu seinen Füßen nieder. Da ließ er uns mürrisch passieren, verwies uns jedoch in die Abteilung für Nichtschwimmer, wofür ich ihm von Herzen dankbar war.
    »Gut«, sagte Manfred, »gehen wir erst einmal da hinein, aber nur für ein Weilchen. Schwimmen lernen könnt ihr nur im Tiefen.«
    An seinen Arm geklammert rutschte ich die Treppen hinunter ins Wasser. Es war angenehm warm, und ich konnte darin gehen ohne irgendwelche Hilfe. Auch Andreas und Mathias planschten vergnügt. Wir wären glücklich gewesen und zufrieden, hätte Manfred uns nicht aus unserem sicheren, kleinen Paradies vertrieben und hinübergedrängt ins Tiefe. Dort brachen harte Zeiten an, nicht nur für uns drei Angsthasen, nein, auch für Manfred und die im Kreis geruhsam herumschwimmenden Kurgäste. Wir klammerten uns an die Stange am Beckenrand und sprengten so den friedlichen Kreisverkehr.
    »Weiter!« drängten die anderen Schwimmer.
    »Loslassen!« kommandierte Manfred.
    Nur Mathias wagte es, den rettenden Halt zu verlassen. Er paddelte davon wie ein kleiner Hund, und für eine kurze Gnadenfrist wandte sich Manfreds Interesse von uns ab und ihm zu. Vater und Sohn schwammen nebeneinander her, der Vater zeigte, wie man Arme und Beine zu bewegen habe, der Sohn trachtete nur danach, über Wasser zu bleiben und die andere Seite zu erreichen. Dort angelangt, drückte er sich hemmungslos durch die Kette der Kreisschwimmer, trat dieser Dame vor den Kopf und jenem Herrn ans Schienbein und hing schließlich prustend, aber wohlbehalten an der Stange.
    Manfred tauchte zu uns zurück und forderte Andreas auf, es seinem kleinen Bruder gleichzutun. Andreas kämpfte. Er wollte nicht hinter Mathias zurückstehen, er wollte aber auch nicht ertrinken. Schließlich ließ erlös, paddelte davon, bekam Wasser in die Nase, schrie und schnaufte und mußte von seinem Vater an den Beckenrand geschleift werden.
    Schon sehr verstimmt langte Manfred wieder bei mir an. Seine Familie bereitete ihm Verdruß, machte ihn zu Kinderleins Spott und hielt keineswegs, was sie versprochen. Mein kurzer Ausflug in gefährliche Tiefen brachte ihn um die letzte Fassung.
    Auch ich ruderte verzweifelt, kam mit den Armen nicht voran, dafür aber mit dem Kopf unter Wasser und packte in Todesangst nach den nächstbesten Beinen. Sie gehörten jedoch nicht Manfred, sondern einem ahnungslosen Mitschwimmer. Gurgelnd versank er in den Fluten, versuchte sich loszustrampeln, tauchte wieder auf, protestierte und versank erneut. Ich hatte seine Badehose zu fassen bekommen und zog sie unaufhaltsam mit mir in die Tiefe. Ich hielt sie auch noch fest, als Manfred mich in die Höhe riß und zur Stange zerrte. Da endlich gab sie dem Zug nach, das

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