Ich und er und null Verkehr
»Ãbrigens, Becker, was ich Sie noch fragen wollte â¦Â«
»Ja?«
»Der SL da unten im Hof. Ist das etwa Ihrer?« Seine Stimme klingt
auf einmal streng.
»Nein. Also, ich meine, ich bin zwar damit da, aber den habe ich nur
leihweise, weil meiner in Reparatur ist.« Und weil ich mir den bei eurem
mickrigen Gehalt auch gar nicht leisten könnte, denke ich mir nebenbei.
»Na, dann ist ja gut.« Er scheint erleichtert zu sein. »Wirklich
scheuÃlich, was da hinten draufsteht«, brummt er. Dann hebt er die Hand zum
Abschied. »Also dann, machen Sieâs gut.« Er bleckt die Zähne wie ein fröhliches
Walross, dann geht er.
Was hat er denn für ein Problem mit dem Wagen? Vielleicht ist er
neidisch. Andererseits, er fährt doch selbst eine S-Klasse. Was er wohl gemeint
hat, was da hinten draufsteht? Hm, jetzt fällt mir auf, dass ich den Wagen noch
nie von hinten betrachtet habe. Aber was soll da schon groà stehen? Dieser Lick
hat offensichtlich einen Hang zum Kitschigen, also hat er wahrscheinlich
irgendeine Blödheit wie Biturbo oder so was
draufmachen lassen. Das wäre zwar geschmacklos, aber scheuÃlich ist das doch
noch lange nicht, oder?
So, was steht als Nächstes an? Vollgas geben. Genau betrachtet habe
ich heute schon ziemlich kräftig Gas gegeben. Gleich in der Früh habe ich mit
Blinky telefoniert. Der hatte noch keine neuen Ergebnisse bezüglich Isabella
Kiesewetter, aber dafür war wohl auch die Zeit zu kurz.
Und ich habe einen Ehevertrag ausgearbeitet, und zwar mit einer
ziemlich schwierigen Konstellation. Doppelverdiener, sie vermögend, er nicht,
zwei Kinder. Keine Kleinigkeit, kann ich Ihnen sagen, da gilt es, viele
komplizierte Zusammenhänge und denkbare Varianten für die Zukunft zu bedenken.
Okay, die Musterverträge im Computer helfen ein bisschen, aber die muss man ja
auch noch an die jeweiligen Mandanten anpassen.
Dann habe ich Rechtsrecherche betrieben, über diverse Datenbanken im
Internet. Ist einfach unglaublich, was es da immer an Neuerungen gibt, und man
muss ständig am Ball bleiben.
Aus Versehen bin ich dann bei Clipfish gelandet. Da gab es heute ein
paar echt witzige Amateurvideos. Der Typ, den es beim Schneeschaufeln vom Dach
seines Hauses schmiss. Oder der eine, der seiner Angebeteten einen
Heiratsantrag machte und dabei mit drei Meerschweinchen jonglierte. Schräge
Vögel gibtâs auf dieser Welt. Nicht dass ich regelmäÃig bei solchen Seiten
reinschauen würde, aber wenn es einem schon mal passiert, lockert es den harten
Arbeitstag doch beträchtlich auf, was sich ja bekanntlich positiv auf die
Leistungsfähigkeit auswirkt. Und wer profitiert letztendlich davon? Genau, der
Arbeitgeber.
Mein Blick fällt auf den dicken Stapel Gesetzesvorlagen, der sich im
Lauf der letzten Woche angesammelt hat. Oh ja, die sehe ich mir jetzt durch.
Gleich nachdem ich mir einen Kaffee geholt habe.
Zwei Minuten später rühre ich in der dampfenden Tasse und schnappe
mir den ersten Ordner.
Die neueste Novelle zum Urheberrecht. Nicht mein Fachgebiet, also
lege ich den Ordner zu den erledigten Sachen.
Wohnungseigentumsgesetz.Gähn. Auch nicht
wirklich meins. Erledigt.
Gesetz über die Entschädigung für StrafverfolgungsmaÃnahmen. Klingt
nicht so, als würde ich das in nächster Zeit brauchen. Erledigt.
Erbbauverordnung. Was soll das denn
überhaupt sein? Erledigt.
Geht ja ganz flott voran, wenn man erst mal begonnen hat.
Andererseits, ich könnte mir die mühsame Arbeit auch sparen und einfach
Gottfried fragen, ob etwas Wichtiges dabei war. Gottfried ackert sowieso immer
alles durch, wozu also doppelte Arbeitskraft verschwenden?
Ich schiebe kurzerhand den ganzen Berg auf die Seite mit den
erledigten Sachen und fühle sofort, wie eine riesige Last von meinen Schultern
fällt. Erledigt.
Auf einmal klingelt mein Telefon. Es ist Schmidt von der
Autowerkstatt. Voller Freude teilt er mir mit, dass das Ersatzteil für meinen
Wagen heute Morgen gekommen ist und dass ich ihn schon wieder abholen kann. Als
ob das eine gute Nachricht wäre. Bei dem Gedanken, den SL wieder zurückgeben zu
müssen, werde ich ganz trübsinnig und behaupte, dass ich es frühestens bis zum
Abend schaffen würde.
Die Zeit bis dahin gilt es zu nutzen. Wo könnte ich denn jetzt
hinfahren, dienstlich?
Ah, ich habâs. Die Verteidigung dieses Schlägertypen, die ich
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