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Ich und er und null Verkehr

Ich und er und null Verkehr

Titel: Ich und er und null Verkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Schneyder
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neurotische Kuh auf
seiner Couch liegen und kann nicht rangehen. Ich drehe das Radio lauter und
nehme einen kräftigen Biss von meinem Big Mac, als er abhebt.
    Ha! Autofahren, Radio hören, essen und telefonieren. Vier Sachen gleichzeitig! Und jetzt könnte ich noch …
    Der Knall ist ohrenbetäubend. Für Sekundenbruchteile sehe ich nur
eine weiße Wand, gleichzeitig spüre ich einen harten Schlag gegen mein Gesicht.
Dann wird es ganz ruhig. Ich brauche ein bisschen, um zu kapieren, was gerade
geschehen ist. Die Motorhaube des SL ist aufgebogen, vorne dampft es raus, und
die Schnauze steckt im Heck eines Minivans – aus dem hysterisch kreischend eine
wenig hübsche Frau mittleren Alters springt.
    Â»Haben Sie nicht gesehen, dass ich den Mann rüberlassen wollte?«,
schreit sie. Dann sieht sie mir ins Gesicht und prallt entsetzt zurück. »Oh,
mein Gott!«
    Passanten kommen näher, und zwei junge Burschen mit Igelfrisuren
beugen sich neugierig zu mir in den Wagen. Bei meinem Anblick reißen sie
schockiert die Augen auf, und der eine schreit: »Alter, dem kommt das Gehirn
aus der Nase!«
    Â»Und bluten tut er wie ein Schwein. Den kannste vergessen, das sag
ich dir«, sagt der andere mit gespielter Coolness und sieht dabei aus, als würde
er gleich umkippen.
    Was reden die denn da? Gehirn? Blut? War es tatsächlich so ein
harter Aufprall? Bin ich schwer verletzt?
    Aber Moment mal, so ein Wagen verfügt doch über mehr
Sicherheitssysteme als die Air Force One, da kann man sich doch bei einem
kleinen Auffahrunfall nicht so schwer verletzen, und … genau, da hängt ja auch
der Airbag aus dem Lenkrad. Außerdem war ich angegurtet!
    Ein älterer Mann schiebt die beiden Jungen energisch zur Seite.
»Lassen sie mich durch, ich bin Arzt!«, sagt er. Er mustert mich kritisch. »Wie
geht es Ihnen? Können Sie sprechen?«
    Â»Ã„h … ja, sicher, mir geht es …« Ich bewege probeweise meine Finger
und meine Zehen. »… ganz gut, denke ich.«
    Er betrachtet eingehend mein Gesicht, dann fährt er mit dem
Zeigefinger über meine Wange und beäugt fachmännisch den gelb-roten Batzen auf
seinem Finger. »Haben Sie gerade was gegessen?«, fragt er.
    Â»Ã„h … ja, einen Big Mac«, bekenne ich.
    Â»Alles klar«, verkündet der Arzt den Umstehenden. »Das ist keine
Gehirnmasse, das ist Senf. Und Ketchup, vermute ich mal.«
    Ein erleichtertes Raunen geht durch die Menge. Ich halte mein
Gesicht vor den Spiegel und kriege selbst einen gewaltigen Schreck. Der
explodierende Airbag hat ganze Arbeit geleistet und mir den Big Mac dermaßen
ins Gesicht gestampft, dass ich aussehe wie ein Zombie in einem Horrorfilm. Der
Arzt reicht mir ein Taschentuch, und ich beginne mich notdürftig zu säubern.
    Meine Unfallgegnerin hat sich jetzt von ihrem ersten Schrecken
erholt und quasselt ohne Unterlass: »… das müssen Sie
doch gesehen haben … aber klar, wenn man während der Fahrt isst … rast daher wie ein Verrückter … lebensgefährlich … sollte man aus dem
Verkehr ziehen … Ah, Sie sind doch
Arzt, können Sie sich mal meinen Nacken ansehen …«
    Ich steige erst mal aus dem Wagen und dehne und strecke mich. Gott
sei Dank, mir scheint nichts Gröberes passiert zu sein.
    Als Nächstes besehe ich mir den Schaden. Also, mit einer Politur
wird es nicht abgehen, so viel ist sicher. Da ist schon einiges verbogen. Nur
gut, dass es Versicherungen gibt, vor allem für den Schaden am SL möchte ich
nicht aufkommen müssen.
    Auf einmal fällt mir auf, dass sich hinten am Heck des Wagens eine
kleine Menschentraube gebildet hat. Sie zeigen auf den Kofferraumdeckel und
tuscheln, und zwischendurch gucken sie mich an und verziehen abfällig die
Gesichter.
    Was hat das zu bedeuten? Mit einem leichten Kribbeln im Bauch gehe
ich nach hinten und – setze mich vor Schreck fast auf den Hintern.
    Wer bläst, wird auch geleckt, steht da in
verschnörkelter, aber doch deutlich lesbarer Schrift.
    Ach du Scheiße! Geht’s noch ein bisschen proletenhafter? Was für ein
Typ ist der denn, dieser Lick? Und während ich
fassungslos auf diese Schrift und das Nummernschild starre, beginnt tief in mir
ein dunkler, böser Verdacht zu keimen.
    Lick.
    Heißt der überhaupt so? Schmidt hat so seltsam gezögert, als ich ihn
danach fragte.Lick 1.

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