Ich und er und null Verkehr
und Schwellungen will ich jetzt gar nicht reden. Das ist schwere
Körperverletzung, Joe, und das vor mehr als zwanzig Zeugen. Nicht besonders
clever, was?«
Kaum habe ich das ausgesprochen, bereue ich es auch schon.
Joes Augen werden schmal. »Wollen Sie sagen, ich bin blöde?«, sagt
er lauernd und beugt sich bedrohlich vor.
Ich überlege, ob ich es mit ein paar schnellen Schritten bis zur Tür
schaffen könnte, falls er sich auf mich stürzt. Notfalls könnte ich auch
schreien, der Wachbeamte wäre ja schnell zur Stelle. Die Frage ist nur, ob der
eine reicht. Und wenn er gerade auf der Toilette ist? Mir wird plötzlich
verdammt heiÃ.
»Nein, natürlich nicht«, sage ich hastig. »Ich meinte damit nur,
dass die Umstände ziemlich ungünstig für Sie sind, strafrechtlich. Hören Sie â¦Â« Entgegen all meinen Instinkten beuge
ich mich zu ihm vor und senke vertraulich meine Stimme. »Ich kann Ihnen als
Rechtsanwalt natürlich nicht raten, vor Gericht eine Falschaussage zu machen,
aber es wäre besser für Sie, wenn Herr Blatter Sie unmittelbar vor der Tat
provoziert oder vielleicht seinerseits tätlich angegriffen hätte. Sie
verstehen?«
Joe blinzelt mit den Augen, was bei ihm anscheinend Nachdenken
signalisiert.
Dann sagt er laut: »Ja, aber so warâs ja nicht! Ihr Anwälte seid
echt schwer von Begriff. Also, der Arsch hat mich letzte Woche â¦Â« Und dann geht wieder dieselbe Leier
los. Ich gebe auf.
»Alles klar, Herr ⦠äh ⦠Joe.« Ich erhebe mich und strecke ihm meine
Rechte hin. »Dann wäre ja alles besprochen. Wir sehen uns dann vor Gericht.«
Joseph Winzigmann nimmt verwundert meine Hand. »Wie, das warâs jetzt
schon? Müssen wir nicht noch was bereden ⦠irgendeine Taktik, oder so?«
Ich schüttle den Kopf. »Nein, nicht nötig. Der Richter hatâs gerne
geradeheraus, wissen Sie? Seien Sie einfach Sie selbst, alles Weitere ergibt
sich dann schon.«
»Echt?«, sagt er verwundert. Dann grinst er wieder. »Wissen Sie was?
Sie sind viel cleverer als der andere Anwalt. Ich denke, da bin ich in guten
Händen bei Ihnen.«
Was für ein Blödmann. Es gibt Zeiten, da geht einem dieser Beruf
echt auf die Nerven. Wenn man mit solchen Typen zu tun hat, zum Beispiel. Haben
ein ellenlanges Vorstrafenregister und lassen bei jeder Gelegenheit die Fäuste
sprechen, und dann soll man zusehen, wie man sie freibekommt. Aber nicht mit
mir. Soll Joe der Hammer ruhig in den Bau gehen. Im Grunde genommen gehört er
da ja auch hin.
Als ich im Wagen sitze und das Dach sich öffnet, entspanne ich mich
langsam wieder. Ein bisschen Ablenkung kann jetzt nicht schaden. Eine kleine
Spritztour vielleicht, wäre mal was Neues. Und Riesenhunger habe ich auch.
Als ich bei einem Drive-in vorbeikomme, nehme ich einen Big Mac und
eine groÃe Cola an Bord. Dann lasse ich mich durch den Verkehr treiben und
hänge meinen Gedanken nach.
Sandra fällt mir ein. Und dieses verrückte Buch. Unwillkürlich muss
ich lächeln. Schon seltsam, wie sie sich darauf versteift. Und worauf sie sich
alles einlässt, um mir zu beweisen, dass es stimmt, was die da schreiben.
Gestern Abend zum Beispiel, als ich Hunger bekam. Nachdem dieses Buch uns Männern
attestiert, dass wir im Kühlschrank nichts finden können, ist sie jedes Mal,
wenn ich nur einen Pieps machte, sofort aufgesprungen und hat mir das
Gewünschte gebracht. Ist schlieÃlich vernünftiger, als mich eine Ewigkeit
herumsuchen zu lassen, nicht wahr?
Wobei natürlich auch eine Menge Blödsinn drinsteht. Dass nur Frauen
mehrere Dinge gleichzeitig tun können und Männer nicht, zum Beispiel.
Kompletter Schwachsinn. Ich meine, was tue ich denn
gerade? Ich lenke den Wagen und esse gleichzeitig, und ich habe nicht das
geringste Problem damit. Und ich kann noch eins draufsetzen. Indem ich das
Radio einschalte. Christina Aguilera, Hurt . Schöner
Song. Na bitte. Ich fahre, ich esse und ich höre
Musik. Null Problemo. Aber das warâs noch lange nicht. Ich merke, dass ich noch
Kapazitäten frei habe. Ich werde jetzt noch jemanden anrufen. Aber wen? Sandra?
Geht nicht, dann würde sie ja merken, dass ich gerade eine der Thesen dieses
Buches widerlege.
Ich habâs. Ich rufe Henning an, mal fragen, wieâs ihm geht. Es läutet
mehrere Male. Wahrscheinlich hat er gerade wieder so eine
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